07 | 2019 Markt

„Whatever it takes“

Wie unabhängig sind die Zentralbanken? Wie sinnvoll sind ihre Ziele und wie wirkungsvoll ihre Maßnahmen? Nie zuvor mussten die Zentralbanken derart um ihre Identität, ihre Daseinsberechtigung und Unabhängigkeit kämpfen wie heute.

In den USA vollzieht die Fed gerade eine Kehrtwende um 180° und wird wohl in Kürze nach mehreren Anhebungen die Leitzinsspanne wieder senken. Fed-Chef Jerome Powell betonte, dass die zunehmende Unsicherheit aufgrund der internationalen Handelskonflikte und der Abkühlung der globalen Konjunktur für die Erwägung einer erneuten Lockerung der Geldpolitik ausschlaggebend seien.

Angesichts der wiederholten Angriffe seitens des US-Präsidenten Donald Trump auf die Geldpolitik der Fed bleibt allerdings ein Beigeschmack. Dieser hatte mehrfach erklärt, dass er die Notenbanker für inkompetent und deren Strategie für falsch halte. Jüngst erst behauptete er, die US-Konjunktur würde wie eine Rakete durchstarten, wenn nur die Zinsen gesenkt würden. Fed-Chef Powell drohte er gar unverhohlen mit der Abberufung. Da beruhigt es kaum, wenn dieser erklärt, sich dagegen wehren und seine volle Amtszeit erfüllen zu wollen.

In der Türkei ist man da einen Schritt weiter. Präsident Recep Tayyip Erdoğan entließ seinen obersten Währungshüter, weil dieser sich seinen Anweisungen wiedersetzt habe, und kündigte gleich die neue Leitzins-Richtung an, um der hohen Inflation entgegenzuwirken und die schwächelnde Wirtschaftsleistung anzukurbeln. Nach einer Befragung durch die Nachrichtenagentur Reuters rechnen Ökonomen mit einer Senkung des derzeitigen Leitzinses von 24 % um 2 Prozentpunkte. Der neue Notenbankchef Murat Uysal gilt als Befürworter einer lockeren Geldpolitik.

Nach Erdoğans Wünschen soll die Inflation bis Ende des Jahres von über 15 % auf einen einstelligen Wert reduziert und die schwächelnde Wirtschaft aus der Rezession geführt werden. Im ersten Quartal war die Wirtschaftsleistung der Türkei um 2,6 % gefallen.

Ganz andere Beweggründe gelten für die Bank of England (BoE). Die britischen Notenbanker lassen ihren Leitzins angesichts der Brexit-Probleme weiter unangetastet. Gleichwohl erklärte die BoE weiterhin, die Zinsen in den nächsten zwei bis drei Jahren langsam anzuheben, wenn der Ausstieg aus der Europäischen Union reibungslos verliefe. Letzteres bleibt wohl abzuwarten. Angesichts der derzeitigen Kurswechsel von Fed und auch der EZB wird es wohl eher unwahrscheinlich, dass sich die BoE diesem Trend wird entziehen können.

Die EZB diskutiert derweilen weitere Optionen zur Lockerung der Geldpolitik. Man sorgt sich um den zunehmenden Druck auf die Konjunktur durch Handelskonflikte und Brexit. Möglich seien weitere Anpassungen des geldpolitischen Ausblicks, die Wiederaufnahme der Anleihekäufe und Zinssenkungen. Zuletzt kamen gar Gerüchte auf, die EZB könne erwägen, eine eventuelle Zinssenkung mit noch nie dagewesenen Käufen von vorrangigen Bankverbindlichkeiten zu verbinden. Eine Maßnahme, auf die mit Hinblick auf potenzielle Interessenkonflikte bisher verzichtet wurde.

Ausblick

„Whatever it takes“ war das Motto Mario Draghis und könnte auch künftig für die Geldpolitik im Euroraum stehen. Denn auch Draghis designierte Amtsnachfolgerin Christine Lagarde gilt als pragmatisch und wenig zimperlich, was sie während der Griechenland-Krise auch bereits bewies.

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