09 | 2017 Editorial

Wer hat den Mut zum Aufbruch?

Foto: © Aliaksei - Fotolia

Nach dem wohl langweiligsten Bundestagswahlkampf der vergangenen 25 Jahre wird kurz vor der Wahl kaum mehr eine Überraschung erwartet: Frau Merkel dürfte erneut Bundeskanzlerin einer großen Koalition werden.

Ähnlich erschütternde Überraschungen wie bei den Hopp-oder-Top-Wahlen zum Brexit oder der US-Präsidentschaft kann es in Deutschland nicht geben. Das verhindern schon allein unser breites Parteienspektrum und das Verhältniswahlrecht. Der Herausforderer von der SPD, Martin Schulz, hat bisher weder inhaltlich noch beim TV-Duell Boden gut machen können. Ob FDP-Mann Christian Lindner mit Eloquenz und Dressman-Qualitäten eine schwarz-gelbe Koalition als Alternative erscheinen lassen kann oder doch über Millionen-Schulden seiner Partei stolpert, ist noch nicht ausgemacht. Selbst wenn Wähler sich erst in der Kabine zur AfD bekennen und der Partei unerwartete Zuwächse verschaffen, wird immer noch eine Große Koalition regieren können.

Vielleicht haben die vielen bislang unentschiedenen Wähler auch noch ein Ass im Ärmel und werten die kleinen Parteien auf. Im schlimmsten Fall wählen sie einfach gar nicht.

Von der Wahl des 19. Bundestages sind vor diesem Hintergrund kaum Überraschungen zu erwarten, welche die Märkte erschüttern oder auch zu Höhenflügen motivieren könnten. Ein Nicht-Ereignis.

Also business as usual? Wird das Marktgeschehen weiterhin vor allem von den nächsten Quartalszahlen und den Entscheidungen der Notenbanken bestimmt? Mit Sicherheit. Stehen sie doch in engem kausalem Zusammenhang mit den Indizes.

Gleichwohl bewegen sich die Märkte nicht in einem politikfreien Raum außerhalb der (westlichen) Gesellschaften, in denen wir leben. Nach der Wahl am 24. September und mit Blick auf die kommende Legislaturperiode werden wir uns mit Themen beschäftigen müssen, die in den Wahlprogrammen kaum eine Rolle spielen. Und damit ist weniger die Möglichkeit einer schlimmstenfalls nuklearen Auseinandersetzung der USA und Nordkorea gemeint.

Die Selbstgefälligkeit der Politiker hat in diesem Wahlkampf keine kontroversen Debatten um Zukunftsthemen zugelassen. Und doch müssen schon bald Weichen für unsere gesellschaftliche Entwicklung mit ganz unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen gestellt werden. Unbequeme Weichen, mit denen man keinen Wahlkampf gewinnt, die aber darüber entscheiden, wie wir in Zukunft leben werden. Ob isoliert oder in einem geeinten und gestärkten Europa. Wie sich unser Arbeitsalltag verändert und unser Wohlstand. Das wird dann sehr wohl und vor allem sehr langfristig Einflüsse auf die Kapitalmärkte haben. Mehr zu diesen Fragen lesen Sie in der Rubrik „Fokus“ in diesem Monat.

In diesem Sinne: Gehen Sie zur Wahl und richten dann den Blick wieder auf die wirklich wichtigen Fragen.

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