Der Handelskrieg zwischen den USA und China lähmt schon seit Monaten die Weltwirtschaft. Gerade erst dokumentierte die aktuelle deutsche Exportstatistik Schleifspuren, welche die rückläufigen Exporte nach China und in die USA hinterlassen haben. Und es sieht derzeit nicht danach aus, als ob sich daran rasch etwas ändern würde.
Denn in der Auseinandersetzung wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht: Nachdem Handelsgespräche in Shanghai ergebnislos beendet worden waren, hatte US-Präsident Donald Trump neue Zölle gegen chinesische Importe im Wert von 300 Mrd. US-Dollar angekündigt. Daraufhin fiel der Wechselkurs der chinesischen Währung kurzzeitig unter die wichtige Marke von sieben Yuan pro US-Dollar.
Die Reaktionen waren prompt und heftig. Die Börsen schlugen kräftig um 3 bis 4 % nach unten aus. Der Dow Jones verzeichnete einen der stärksten Abstürze seiner Geschichte, die europäischen Börsen gingen ebenfalls auf Talfahrt. Gold kletterte hingegen auf ein neues Hoch und Anleger waren bereit, für den Kauf deutscher Staatsanleihen so hohe Negativzinsen zu akzeptieren wie noch nie.
Warum diese heftige Reaktion? Ein günstiger Kurs des Yuan gegenüber dem US-Dollar ist genau das, wogegen Trump seit Jahren wettert und twittert: Er führt zu Wettbewerbsverzerrung, da er den US-Dollar (und Euro, Yen sowie die Währungen aller übrigen Partner, mit denen China Handel treibt) aufwertet und somit chinesische Exporte (noch) günstiger werden. Importe nach China hinein, bezahlt in teuren Devisen, werden hingegen für die chinesischen Konsumenten immer weniger attraktiv. Exportländer wie Deutschland leiden, und der chinesische Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA wächst noch weiter.
In dieser konkreten Situation konnte der fehlende Elan der chinesischen Notenbank, den Kursverlust des Yuan zu bremsen, als beredte Geste gen USA verstanden werden: Denn ein niedriger Kurs des Yuan dämpft die Auswirkungen der frisch verhängten Zölle etwas. China hat somit nonverbal zu verstehen gegeben, dass es sich das nicht bieten lassen will. Und diesmal antwortet man auch nicht wieder mit Gegenzöllen. Vielmehr hat China kurz das Jackett geöffnet, um den Gegner einen Blick auf das Holster werfen zu lassen.
Gleichwohl, merken Marktbeobachter an, sei der Einbruch des Yuan als Reaktion der Finanzmärkte auf die erneute Schwächung der chinesischen Wirtschaft zu verstehen. Der Yuan sei mithin vor allem wegen der neuen trump’schen Zölle stark unter Druck geraten und nicht aufgrund aktiver Manipulation der chinesischen Notenbank, so die weitgehend einhellige Beurteilung der Lage von außen. Die chinesische Notenbank bestreitet ein Einmischen ohnehin vehement und gibt vielmehr zu Protokoll, dass man weiterhin nicht vorhabe, seine Währung für Währungskriege zu missbrauchen.
Was natürlich nicht heißt, dass China seine Währung nicht grundsätzlich genau im Blick hätte und bei Bedarf reagiert. Im Gegenteil: Noch am selben Tag intervenierte die Notenbank, um Schadensbegrenzung zu betreiben und die Volkswährung wieder über die magische Grenze von sieben Yuan pro US-Dollar anzuheben.
Alles andere wäre für China auch mit erheblichen Risiken verbunden: Durch die Yuan-Abwertung werden die chinesischen Exporte zwar billiger, aber im Gegenzug verteuern sich Importe für den chinesischen Kunden, insbesondere Lebensmittel und Energie, was unmittelbar auf die Lebenshaltungskosten durchschlagen dürfte. Außerdem sind chinesische Unternehmen zum Teil hoch in US-Dollar verschuldet – ein nachteiliger Kurs könnte die Rückzahlung ihrer Darlehen zum Problem werden lassen. Marktbeobachter sind deshalb der Meinung, dass die chinesische Notenbank auch aus diesem Grund die Währung sehr bewusst über der kritischen Schwelle halte.
Nichtsdestotrotz ist der Vorwurf der Währungsmanipulation nun offiziell. Das US-Finanzministerium könnte daher gemäß den US-Gesetzen weitere Maßnahmen ergreifen, jedoch erst nach einer Aussprache, etwa vor dem IWF. Doch die Beweise, dass China tatsächlich seine Währung manipuliere, werden von verschiedenen Seiten als dürftig eingeschätzt. Der vielleicht entscheidende Punkt dabei: China hat – so scheint es – in der Vergangenheit nicht offen zugunsten seiner Währung an den Devisenmärkten interveniert, also US-Dollar gekauft und Yuan verkauft.
Wichtiger aber als die Möglichkeit, nun offiziell mit dem Finger auf China zu zeigen – was Trump via Twitter ohnhin regelmäßig tut –, ist vielleicht noch etwas anderes. Donald Trump hat damit eine Situation geschaffen, in der die Fed sich gezwungen fühlen könnte, die Zinsen weiter zu senken – etwas, was Trump immer wieder verlangt und wogegen sich die unabhängige US-Notenbank bislang gewehrt hatte. Bereits Ende Juli hatte sich die Fed zu einer ersten Zinssenkung seit elf Jahren durchgerungen, mit dem Hinweis, dass weitere Zinssenkungen notwendig würden, falls sich der Handelskrieg verschärfe. Wenige Tage später passierte genau dies: Der Handelskrieg weitete sich zu einem Währungskrieg aus, nachdem der Präsident mit einem Tweet neue Zölle verhängt hat. Dass die G20-Länder sich verpflichtet hatten, auf Abwertungen zu verzichten und Währungskriege zu verhindern, scheint vergessen.
Trumps weitergehendes Ziel könnte also nicht nur China, sondern auch die US-Notenbank sein: Die Fed dazu zu bewegen, die Zinsen weiter zu senken, um sein Wahlversprechen eines konstanten Wirtschaftswachstums von langfristig mehr als 3 % einlösen zu können. Da das Wachstum zuletzt nachgab, steht Trump bereits mehr als ein Jahr vor der nächsten Präsidentschaftswahl unter dem Druck, liefern zu müssen.
Ein Währungskrieg wäre allerdings, anders als ein Handelskrieg, kaum zu begrenzen, geben die Analysten zu bedenken. Kein Wunder also, dass die Börsen in Panik verfielen, als die beiden Kontrahenten das Wort vom Währungskrieg in den Mund nahmen. Denn mit Verweis auf die Abwertungsspirale in den 1930er Jahren wird an verschiedenen Stellen gemahnt, dass es bei einem Wettstreit der Währungsabwertungen keine Gewinner geben könne. Larry Summers, Berater von zwei demokratischen Präsidenten und Wirtschaftsprofessor, wird mit folgender Einschätzung zitiert: Die Welt stehe womöglich am gefährlichsten Punkt seit der Finanzkrise 2009. Vielleicht hat die US-Administration dieser Einschätzung tatsächlich Gehör geschenkt und bei Redaktionsschluss die Einführung der neuen Zölle auf Dezember verschoben.
Doch bereits jetzt sind Deutschland und Europa in Mitleidenschaft gezogen worden: Zunächst einmal, weil jede Art der Verunsicherung die Märkte irritiert, Anleger fernhält und Investitionen aufschiebt. Das Abenteuer Währungsabwertung würde zudem alle Handelspartner treffen. Es ist eine Waffe mit breiter Streuwirkung. Deutsche Exportgüter würden nicht nur in China, sondern auch außerhalb des Euroraums zu teuer werden.
Schon jetzt ist der Welthandel geringer gewachsen, als das Weltwirtschaftswachstum insgesamt. Ein Zeichen dafür, dass ganz entgegen dem bisherigen Globalisierungstrend der Warenaustausch abnimmt. Der ifo-Index und das ZEW-Barometer bescheinigen aktuell, dass sich das konjunkturelle Klima weltweit deutlich eingetrübt hat. Einige Notenbanken im asiatisch-pazifischen Raum haben deshalb bereits ihre Zinsen gesenkt – eine Option, die die EZB nicht mehr hat, allerdings könnte sie ihr Aufkaufprogramm für Anleihen wieder aktivieren. Trump wird darüber nicht amüsiert sein.