Händler: In diesem Chaos der Meinungen, wie finde ich die vernünftigste?
Gesellschafter: Schwimm mit den Wellen und kämpfe nicht gegen die Strömung.
Aus dem Jahr 1688 datiert dieser Ratschlag des spanischen Händlers Joseph de la Vega und gilt somit als eine der ersten verbrieften Investmentstrategien. Die Anlagestrategie, die heute unter dem Namen Momentum- Investing firmiert, klingt fast zu einfach, um erfolgreich zu sein: Man kauft Aktien aus diversen Marktsegmenten, die in den vergangenen sechs bis zwölf Monaten hohe Gewinne erzielt haben und setzt auf das „Momentum“, d. h. den „Schwung“, von dem man weitere Aufwärtsbewegungen erwartet.
Mit dem Strom schwimmen zahlt sich aus
Und doch zeigen diverse Studien, dass genau diese „Schwung-Strategie“ in den vergangenen 200 Jahren robuste Gewinne für die Anleger eingefahren hat. In der jüngeren Vergangenheit haben vom US-Finanzdienstleister MSCI erstellte Momentum-Portfolios die Märkte sogar deutlich übertroffen und im Vergleich der vergangenen 45 Jahre sämtliche anderen Investmentstrategien abgehängt. Innerhalb des Momentum-Investings gibt es zwei verschiedene Ansätze: Anlagen werden als Gruppe innerhalb eines bestimmten Zeitraums betrachtet und die besten Papiere ausgewählt (Querschnitts-Methode) oder man betrachtet einzelne Papiere unabhängig von der Konkurrenz und trifft die Kauf- oder Verkaufsentscheidung allein nach deren Performance (Zeit-Methode).
Warum funktioniert Momentum-Investing?
Böse Zungen behaupten, dass euphorisches Kaufen und Verkaufen von wenig erfahrenen oder gebildeten Investoren für den beschriebenen „Schwung“ sorgen, doch eine Studie aus Deutschland zeigt ein anderes Bild. Ausländische und inländische institutionelle Investoren sind die großen Akteure beim Momentum-Investing, während kleine Privatanleger eher gegen den Momentum-Trend anlegen. Der Erfolg der Anlagestrategie ist seit Jahrhunderten ebenso sichtbar, wie für die Wissenschaftler unaufschlüsselbar. Allerdings zeigen diverse Studien zumindest auf, dass der „Schwung“ auch gefährlich werden kann. Zum einen wären da Zeiten hoher Volatilität an den Märkten, denen für gewöhnlich ein Marktabschwung und eine schwächere Entwicklung von Momentum-Portfolien folgen.
Asien „schwingt“ nicht mit?
Eine weitere Theorie besagt, dass der Erfolg von Momentum-Portfolien auf zu viel Selbstvertrauen der Investoren beruht. Hierbei verlässt sich der Investor als Individuum vor allem auf Informationen, die er sich selber beschafft hat und reagiert nur wenig auf öffentlich zugängige Publikationen. Wenn genügend Investoren so handeln, reagieren die Preise insgesamt langsamer auf öffentliche Statements und die Märkte entwickeln eine Eigendynamik. Bester Beweis für diese Theorie sind die asiatischen Börsen, wo die Investoren traditionell kaum Individualität zeigen und die Momentum-Strategie weniger Erfolge verzeichnet als in anderen Märkten.
Herdentrieb oder Einzelgänger?
Entgegen der allgemeinen Vorstellung beruht die Momentum-Strategie nicht auf einer Art „Gruppengedanken“, im Gegenteil, je schwieriger es ist, die Fundamentaldaten eines Investments zu beurteilen, desto eher zögern Investoren sich von der allgemeinen Meinung zu entfernen, selbst wenn neue Informationen erhältlich sind – diese werden nur langsam vom Markt aufgenommen und es entsteht wieder ein „Momentum“. Die Momentum-Theorie ist daher nur mit Vorsicht bei Kredit- und festverzinslichen Anlagen anzuwenden, während sie bei Aktien, Rohstoffen und Währungen gut funktioniert.