Wohin man blickt, die Leitzinsen fallen wie die Blätter im Herbst. Wo sie nicht gesenkt werden, wird die Geldpolitik mit anderen expansiven Instrumenten weiter gelockert.
Die US-Notenbank Fed senkte die Leitzinsspanne um einen Viertelpunkt auf 1,5 bis 1,75 %, nachdem sie bereits im September und Juli die Zinsen gesenkt hatte, um die konjunkturellen Gefahren des Handelskonfliktes mit China abzumildern.
Dennoch schwächte sich das Wachstum der US-Wirtschaft im dritten Quartal weiter ab: Das US-Handelsministerium schätzte den Anstieg des Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch auf 1,9 %, nach 2,0 % im Quartal zuvor. Nicht wenige Experten hatten allerdings einen deutlicheren Einbruch befürchtet.
Die Fed schätzt ihre aktuelle Zinsrange auch künftig als „wahrscheinlich angemessen“ ein und plant keine weiteren Zinssteigerungen, solange die Wirtschaft sich nicht unerwartet und drastisch entwickle, so Notenbankchef Jerome Powell. US-Präsident Donald Trump hält die aktuelle US-Konjunktur für die „großartigste Wirtschaft der US-Geschichte!“ und sich für den Dirigenten dieses Erfolges. Diesen Optimismus dürften nicht viele teilen.
In Europa blieb Mario Draghi bis zum Schluss seiner Linie treu. Der scheidende EZB-Präsident ließ seiner Nachfolgerin wenig Spielraum: Am Zinstief im Euroraum wird sich so schnell nichts ändern. Die bisherige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, machte bereits deutlich, dass auch sie eine ultralockere Geldpolitik weiterhin für nötig hält.
In der letzten Ratssitzung Draghis beließen die Währungshüter dementsprechend den Leitzins im Euroraum bei 0,0 %. Banken müssen weiter 0,5 % Negativzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken. Zudem wird die Notenbank von November an auf unbestimmte Zeit monatlich 20 Mrd. Euro in den Erwerb von Anleihen stecken.
Auch die britische Notenbank ließ den Leitzins bei 0,75 % unangetastet, zeigte sich jedoch angesichts wirtschaftlicher Risiken und dem anstehenden Brexit zunehmend verunsichert: Erstmals seit 2016 votierten zwei Mitglieder des Gremiums für eine Zinssenkung. Auch die übrigen Notenbanker behielten sich einen solchen Schritt vor, falls sich die schwächelnde Weltkonjunktur und die aus dem Brexit resultierende Unsicherheit fortsetzen sollten. Zugleich schwand die Entschlossenheit, im umgekehrten Fall einer sich verbessernden Wirtschaftslage mittelfristig begrenzte und schrittweise Zinserhöhungen zu erwägen. Angesichts der Brexit-Wirren und des Wahlkampfes wartet die Bank of England (BoE) ab, was sie sich angesichts der aktuellen und dem Inflationsziel nahen Inflationsrate von 1,7 % leisten kann. Für den schlimmsten Fall eines harten Brexit ohne Regelung erwartet die BoE einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 5,5 % binnen eines Jahres.
Die Bank von Japan (BOJ) wartet ebenfalls ab, signalisierte aber für die Zukunft Zinssenkungen. Sie beließ ihr Ziel für den kurzfristigen Zinssatz bei -0,1 % und bekräftigte ihr Versprechen, die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen bei 0 % zu halten. Sie änderte jedoch ihren Ausblick und betonte die Bereitschaft, die Zinsen bei Bedarf weiter zu senken, sollten die weltwirtschaftlichen Risiken die fragile Erholung der japanischen Wirtschaft bedrohen.
Auf neue Rekordtiefs senkten sowohl die brasilianische als auch die thailändische Notenbank ihre Leitzinsen. Beide Volkswirtschaften leiden unter der schwächelnden Weltwirtschaft und dem schwachen US-Dollar. Die Zinsanpassungen waren von Experten bereits erwartet worden.
Eher überraschend fiel die Deutlichkeit der nun dritten Zinssenkung innerhalb von vier Monaten in der Türkei aus. Die türkische Zentralbank beschloss bei ihrer regulären Sitzung, den Zinssatz um 2,5 Prozentpunkte auf 14 % herabzusetzen. Viele Ökonomen hatten mit einer geringeren Senkung gerechnet. Erst im September 2018 hatte die türkische Nationalbank den Leitzins nach einem dramatischen Verfall der Lira und dem Hinaufschießen der Inflation um 6,25 Prozentpunkte auf 24 % angehoben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte dies scharf kritisiert und Zinsen mehrfach als „Instrumente der Ausbeutung“ und „Mutter und Vater allen Übels“ bezeichnet. Nachdem er den Zentralbankchef ersetzt hatte, senkte die Notenbank im Juli die Leitzinsen um 4,25 Prozentpunkte und im September erneut um 3,25 Prozentpunkte. Damit reagierten sie auf den relativen Rückgang der Inflation von 25 % im Oktober des vergangenen Jahres auf 9,26 % im September 2019.
Ausblick
Auch wenn die Zinsniveaus der verschiedenen Notenbanken sich in ihrer absoluten Höhe unterscheiden, ist eines klar: Steigende Zinsen sind nirgends in Sicht.