Die seit Monaten schwächelnde Weltwirtschaft befindet sich zu Beginn des vierten Quartals am Wendepunkt: Verlangsamt sich das Wachstum weiter, stünde am Ende eine längere rezessive Phase ins Haus. Doch die Zeichen mehren sich, dass die globale Wirtschaft eine Trendwende zum Positiven in letzter Sekunde vor allem dank der Unterstützung der Notenbanken schaffen könnte. Eine lockere Zinspolitik unterstützt Wachstum, diese einfache Formel hat bislang stets gegriffen. Unterstützt wird diese Hoffnung von positiven Ausschlägen der wichtigen Wirtschaftsindikatoren. Deren Anstieg ist vor allem einem leichten Aufschwung in den Entwicklungsländern geschuldet.
Viel wird in der näheren Zukunft allerdings davon abhängen, ob der Abschwung des verarbeitenden Gewerbes doch noch den bedeutend größeren Dienstleistungssektor erfasst. Die einschlägigen Indizes weisen darauf hin, doch insgesamt blieb der Rückgang des Dienstleistungssektors bislang limitiert, selbst in Deutschland verweilt der Sektor trotz Rückgängen weiterhin im positiven Bereich. Hier liegt der große Unterschied zu den Rezessionen der Jahre 2001/2 und 2008/9 – damals brach der Dienstleistungsbereich im Einklang mit dem verarbeitenden Gewerbe ein.
Automobilabsatz im Rückwärtsgang
Als Hauptgründe für die Schwäche der verarbeitenden Industrie werden oft der Abbau des Schattenbanksystems in China sowie der Handelskrieg zwischen den beiden Wirtschaftsschwergewichten USA und China genannt. Doch es gibt einen weiteren Schuldigen: Autos. Gemäß der Statistiken der Agentur WardsAuto fiel der Absatz in diesem Bereich allein im ersten Halbjahr des Jahres um 5 %, der signifikanteste Rückgang seit der großen Rezession.
Strenge Umweltauflagen, auslaufende Steuervorteile, striktere Kreditvergabe sowie der oben genannten Handelsstreit begünstigten diese Entwicklung. Einziger Lichtblick ist derzeit, dass die Produktion stärker sinkt als der Umsatz, was bedeutet, dass momentan Lagerbestände abgebaut werden können.
Mit 14 % sind die Automobil-Verkaufszahlen in China besonders stark rückläufig, doch auch hier gibt es Hoffnung. Die Anzahl der Einwohner, die ein Auto besitzen, ist deutlich geringer als in den USA, Japan oder Korea, was darauf hoffen lässt, dass die Absatzzahlen langfristig wieder deutlich steigen dürften, da es Nachholbedarf in diesem Sektor gibt.
Handelsstreit – nur Verlierer
Auch in Sachen Handelsstreit darf auf Entspannung gehofft werden: Sowohl China als auch die USA haben derzeit durch einen Streit deutlich mehr zu verlieren als zu gewinnen. Für US-Präsident Donald Trump steht seine Wiederwahl auf dem Spiel, die Wähler zeigen sich bislang allein von seiner Wirtschaftspolitik beeindruckt, in allen anderen Bereichen schwächelt er in den Umfragen. Ein ausufernder Handelskrieg würde die US-Wirtschaft aber ebenso treffen wie die chinesische und eine schwache Wirtschaft kann Trump im Wahljahr nicht gebrauchen.
Die Chinesen auf der anderen Seite werden sich bewusst sein, dass die Verhandlungen mit Trump vor den Wahlen aus genau diesen Gründen für sie leichter werden dürften als Gespräche mit einem wiedergewählten Trump. Und sollte der Republikaner die Wahlen tatsächlich verlieren, würde die ultra-linke Demokratin Elizabeth Warren, die derzeit in den Umfragen Boden gegen ihren Parteigenossen Joe Biden gutmacht, wohl keine einfachere Verhandlungspartnerin werden.
China bleibt Zünglein an der Waage
Auch insgesamt liegt der Fokus, wenn es um die weitere Entwicklung der Weltwirtschaft geht, darauf, was die chinesische Regierung plant. Bislang ist das Ausmaß der geld- und kreditpolitischen Maßnahmen der Pekinger Führung weit von den Maßnahmen entfernt, die 2015/16 und 2008/9 noch ergriffen wurden. Die hohe Verschuldung bereitet derzeit die größeren Sorgen, zudem befindet sich die chinesische Wirtschaft momentan in einem bedeutend besseren Zustand als damals. Auch der Schock des von Donald Trump angezettelten Handelskrieges ist nicht annähernd so bedeutend wie die große Rezession Ende der letzten Dekade – die chinesischen Exporte in die USA machen schließlich am Ende des Tages nur 2,7 % des Bruttoinlandsproduktes des asiatischen Landes aus.
Offensichtlich liegt es an etwas anderem, dass China nicht ausreichend floriert. Dem Konsumenten fehlt es schlicht an der „Lust am Kaufen“. Dasselbe gilt nachfolgend auch für das verarbeitende Gewerbe. Denn wozu investieren, wenn der Abnehmer fürs Produkt fehlt?
Lichtblick Europa?
Vorsichtig hoffnungsvoll ist die Stimmung derweil in Europa. Zwar sind die unter dem scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi wieder aufgenommenen Anleihenkäufe bei den Ratsmitgliedern nicht unumstritten, doch dürften sie einen Aufschwung der Wirtschaft der Eurozone gegen Ende des Jahres unterstützen. Das Geldwachstum ist bereits angestiegen – und das zieht für gewöhnlich ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes nach sich.
Positiv, vor allem auf die britische Wirtschaft und das britische Pfund, dürfte sich der nach langem Ringen endlich gefundene Brexit-Deal auswirken, sofern dieser genügend Zustimmung im britischen Parlament findet. Wenn nicht, muss sich auch Boris Johnson an die Gesetzeslage halten. Und die schreibt einen geregelten Brexit vor.
Japan: Krise hält an
Auf dem Papier sieht es für die japanische Wirtschaft deutlich schlechter aus als für andere führende Wirtschaftsnationen. So ist der Auftragseingang bei den Werkzeugmaschinen im 12-Monats-Vergleich um 37 % gesunken, Exporte gingen um 8 % und Importe gar um 12 % zurück. Der Einkaufsmanager-Index der verarbeitenden Industrie gab weiter nach und fiel auf 48.9 Punkte, nachdem er im August noch bei 49.3 Punkten gelegen hatte. Die aus dem Handelskrieg zwischen den USA und China resultierenden Unsicherheiten belasteten die japanische Wirtschaft ebenso wie die Spannungen des Landes mit seinem Nachbarn Korea.
Zwar ist davon auszugehen, dass die japanische Industrieproduktion am Ende des Jahres nach einem Rückgang von 5 % in den vergangenen zwölf Monaten wieder zulegen kann, doch hat die japanische Regierung mit einer Erhöhung der Umsatzsteuer der eigenen Wirtschaftsentwicklung keinen Gefallen getan. Seit Beginn der 90er Jahre ist das japanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) kaum gewachsen, ein Anstieg dürfte erst wieder erreicht werden, wenn es der japanischen Regierung gelingt, die Nominallöhne zu steigern. Nur so kann die bereits weltweit unvergleichlich hohe Verschuldungsquote im Verhältnis zum BIP (237,1 %, Stand 2018) im Zaum gehalten werden.
US-Wirtschaft wächst gegen den Trend
Die größte Volkswirtschaft der Welt hat sich dem derzeitigen globalen Wirtschaftsabschwung weitestgehend entziehen können, vor allem da das verarbeitende Gewerbe der USA einen geringeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt als in anderen Ländern hat.
Die aktuellen Wirtschaftszahlen zeigen sich auch weiterhin robust: Das BIP dürfte mit einem Anstieg von 1,8 % im dritten Quartal auf Kurs bleiben, der private Konsum um 2,5 % nach starken 4,5 % im zweiten Quartal steigen. Der private Wohnungsmarkt hat offenbar die Trendwende geschafft, sowohl Hausverkäufe als auch die Vergabe von Baugenehmigungen haben angezogen.
Im Gegensatz zum privaten Hausmarkt fielen die Investitionsindizes der Wirtschaft allerdings aufgrund des schwachen verarbeitenden Gewerbes, dem starken Dollar und den Unsicherheiten resultierend aus dem Handelsstreit – von den Tiefstständen zu Rezessionszeiten sind sie jedoch noch weit entfernt.
Zusammengefasst darf in den USA gegen Ende des laufenden Jahres sogar mit einem etwas stärkeren Wirtschaftswachstum gerechnet werden, welches insbesondere vom privaten Konsum und dem verbesserten Immobiliensektor unterstützt wird.