Konsens der Erwartungen von Marktbeobachtern war, dass EZB-Präsident Mario Draghi im Juli zumindest Andeutungen zu einem beginnenden Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik machen würde. Anfang Juni noch hatte die EZB mit ersten vorsichtigen Formulierungen Raum für Interpretationen gegeben, dass eine baldige Abkehr von der expansiven Geldpolitik denkbar wäre. So hieß es, die Wachstumsrisiken für den Euroraum seien „weitgehend ausgeglichen“ statt „abwärtsgerichtet“, und der Passus über mögliche weitere Zinssenkungen wurde gestrichen. Nachdem die EZB nun den Leitzins weiter bei Null, die Strafzinsen bei -0,4 % und die monatlichen Anleihekäufe bis mindestens Ende Dezember 2017 bei 60 Milliarden Euro belassen hat, erwarten Ökonomen konkrete Schritte frühestens im September.
Auch die US-amerikanische Notenbank Fed setzte die Zinswende Ende Juli nicht weiter fort, sondern beließ den Leitzins weiter in der Spanne zwischen 1,00 und 1,25 %. Dies war von Ökonomen und Investoren auch so erwartet worden. Erst Mitte Juni hatte die Fed in einem vierten Zinsschritt seit der Finanzkrise den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Fed-Chefin Janet Yellen erklärte, man behalte die Inflation im Blick und werde bald mit dem Abbau der billionenschweren Notenbankbilanz beginnen. Diese beinhaltet allein 4,5 Billionen US-Dollar in Anleihen, die in den letzten Jahren zur Stützung der Märkte aufgekauft wurden.
Während Europa noch zögert, folgten die Währungshüter Kanadas ihren US-amerikanischen Kollegen in die Zinswende und erhöhten erstmals seit 2010 den Leitzins um 0,25 Punkte auf nun 0,75 %. Die kanadische Notenbank erwartet ein Wirtschaftswachstum von 2,8 % in diesem und 2,0 % im kommenden Jahr. Die Inflation war zuletzt allerdings rückläufig.
Der Zinsschritt in Kanada könnte auch andere Notenbanken zur Zinswende ermutigen, so zum Beispiel die Bank of England. Bei der letzten Entscheidung im Juni 2017 hatten drei Ratsmitglieder bereits für eine Erhöhung votiert. Noch liegt der Leitzins in Großbritannien auf dem Rekordtief von 0,25 %. Für eine Leitzinserhöhung spräche die durch den Brexit ausgelöste Unsicherheit, der Anstieg der Inflationsrate auf 2,9 % und die deutliche Abschwächung des Wirtschaftswachstums.
Ausblick
Ein Schritt vor, zwei zurück. Diesen Eindruck könnte man bei dem vorsichtigen Taktieren der Notenbanken bekommen. Es ist ein filigranes Zusammenspiel gegenseitiger Abhängigkeiten. Ein unbedachter Schritt könnte einen Schock auslösen, der alles mühsam Aufgebaute wieder zerstören könnte.