09 | 2019 Markt

Keine Geduld

Ein letztes Mal zieht EZB-Chef Mario Draghi alle Register: In der September-Sitzung beschloss der EZB-Rat eine weitere umstrittene Senkung des Einlagenzinses für Banken, anders formuliert eine Erhöhung der Strafzinsen für Banken. Finanzinstitute müssen nun -0,5 % anstelle -0,4 % p. a. zahlen, wenn sie bei der Zentralbank Geld parken. Verbraucherschützer befürchten bereits seit längerem, dass Banken diese Negativzinsen irgendwann an die Sparer weitergeben.

Darüber hinaus beschloss die EZB weitere Anleihenkäufe: Ab dem 1. November 2019 wird sie monatlich 20 Mrd. Euro in Wertpapiere investieren.

Damit stellt Mario Draghi noch ein letztes Mal die Weichen vor dem Ende seiner achtjährigen Amtszeit am 31. Oktober 2019. Er hinterlässt seiner Nachfolgerin Christine Lagarde ein schweres Erbe, sind sich Bankexperten in Deutschland einig. Nicht wenige sehen in den aktuellen Maßnahmen eine unnötig frühe Einschränkung künftiger Handlungsspielräume und Belastung europäischer Banken.

Der Leitzins, der seit März 2016 auf dem Rekordtief von null Prozent liegt, bleibt unverändert auf diesem Niveau. Insgesamt entsprach das Vorgehen der EZB den Erwartungen.

Unzufrieden und ungeduldig reagierte nur US-Präsident Donald Trump, der sowohl gegen die europäische als auch die US-amerikanische Geldpolitik wetterte. Ihm können die Zinsen in den USA gegenüber dem Rest der Welt gar nicht schnell genug gesenkt werden. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2020 will er die US-Konjunktur um jeden Preis stützen.

Die Fed senkte den US-Leitzins im September zwar, aber nur um einen Viertelpunkt auf die Spanne von 1,75 bis 2,0 %. Das reichte Trump nicht, er forderte eine Senkung auf Null oder weniger und griff Fed-Chef Powell per Twitter wiederholt persönlich an. Er wäre zu ängstlich und zu wenig visionär.

Die Fed begründete die erneute Zinssenkung mit „Unsicherheiten“ für die amerikanische Wirtschaft, betonte aber, es handele sich um eine überwiegend präventive Maßnahme. Risiken bestünden vor allem durch die von Trump ausgelösten Handelskriege. Weitere Zinssenkungen wurden zunächst nicht angekündigt. Man werde die Konjunktur beobachten und dann entscheiden.

Ähnlich äußerte sich auch die Bank of England (BoE), die allerdings angesichts des festgefahrenen Brexit ihren Leitzins unangetastet ließ. Dieser bleibt bei 0,75 %, wie das Bankgremium einstimmig beschloss.

Die BoE warnte deutlich vor einer längeren Zeit der Unsicherheit für die britische Wirtschaft und weiteren Schwächung der Inflation durch den Brexit. In der Folge eines ungeregelten Austritts aus der EU könne sich der Leitzins sowohl nach oben als auch unten bewegen.

Ausblick

Wohin man auch schaut stehen die Zeichen auf eine erneute oder weitere Expansion der Geldpolitik. Manchen kann es damit gar nicht schnell genug gehen.

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