06 | 2017 Editorial

Keep calm and carry on

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„Keep calm and carry on“, zu Deutsch „ruhig bleiben und weitermachen“ – der Slogan, von der britischen Weltkriegspropaganda ersonnen, ist zum geflügelten Wort geworden. Vermutlich weil so viel „Britishness“ mitschwingt, wie sie sonst nur die alten roten Telefonzellen, der 5-Uhr-Tee oder die Queen in sich vereinen.

„Keep calm and carry on“ mag auch das Mantra der Briten in diesen Tagen sein: So oder so geht es weiter raus aus der EU, nun allerdings vielleicht nicht auf die harte Tour. Das Wahlergebnis der Unterhauswahlen wird jedenfalls einhellig so gedeutet, dass vor allem junge Wähler ihre Stimme für Labour abgaben und somit ein Zeichen gegen den harten Brexit setzten. Drei Tage nach Großbritannien wählte auch Frankreich und es sieht so aus, als könne sich die frisch gegründete Partei des neuen Präsidenten mit einer absoluten Mehrheit gegen die etablierten Partien durchsetzen.

Europa verliert Großbritannien – und gewinnt einen neuen Sinn für Einigkeit. Mit den jüngsten Wahlergebnissen verschiebt sich der politische Schwerpunkt wieder zurück auf die Linie Berlin-Paris. Angesichts der sich andeutenden Verschiebung des globalen Machtgefüges (siehe dazu das Fokus-Thema des Monats) erscheint die Rückbesinnung auf die ursprüngliche europäische Idee umso wichtiger: Einheit für Frieden. Denn das politisch fragile, aber bis vor kurzem noch verlässliche globale Gleichgewicht der Kräfte ist bedroht, etwa durch die Türkei, Russland und den Nahen Osten – aber auch durch den (angekündigten) Rückzug der USA aus globalen Verpflichtungen wie dem Pariser Klimaabkommen, Außenhandelsbeziehungen oder militärischen Bündnissen.

Die Bundeskanzlerin fordert, dass wir Europäer unser Schicksal endlich und konsequent in die eigene Hand nehmen müssen. Ein anspruchsvolles Unterfangen, das unter den neuen Vorzeichen – eine EU ohne Großbritannien – vielleicht einfacher wird.

Doch die Stärkung der europäischen Idee ist nicht nur politisch zwingend. In dem Maße, wie die USA und Großbritannien protektionistisch denken und internationale Verträge aufkündigen – in der Hoffnung, für ihre Unternehmen z. B. in bilateralen Verträgen mehr herausholen zu können – ist es auch ökonomisch sinnvoll. Jetzt muss sich zeigen, dass der Binnenmarkt ein echtes Pfund ist, mit dem sich wuchern lässt. Die Zeichen dafür sind gut: Die Konjunkturerholung in der Eurozone setzt sich fort, unter Umständen ist sogar mit einer leicht anziehenden Inflation im zweiten Halbjahr dieses Jahres zu rechnen, auch wenn die EZB das noch nicht als nachhaltigen Trend erkennen will.

In diesem Sinne: Bleiben Sie ruhig und europäisch!

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