Seit November ist Christine Lagarde nun Präsidentin der Europäischen Zentralbank. In dieser Zeit war von ihr zur weiteren geldpolitischen Strategie der EZB noch wenig zu hören.
Ganz überraschend kam das zwar nicht, da Madame Lagarde zu ihrem Amtsantritt klarstellte, dass sie sich erst einmal sämtliche bisherige Maßnahmen selbst anschauen wolle. Das kann man durchaus nachvollziehen. Aber so langsam wird es Zeit, dass sie hier ein erstes Zeichen setzt.
Bei ihrem ersten Auftritt vor dem Währungsausschuss des Europaparlaments betrieb Christine Lagarde allerdings vorweg Erwartungsmanagement: „Interpretieren Sie nicht zu viel in meine Worte hinein.“ Dabei verwies sie auf ihre kaum vier Wochen junge Amtszeit und dass sie in der Sprache der Notenbanker noch nicht firm sei.
Sie kündigte eine Überprüfung der geldpolitischen Strategie der EZB „in naher Zukunft“ an, bei der sie sich von den Grundsätzen einer gründlichen Analyse und Offenheit leiten lassen wolle. Auch andere Notenbanken wie die Fed überprüften ebenfalls ihre derzeitigen Strategien und mittelfristigen Ziele. Das von der EZB bisher angestrebte Inflationsziel von nahe 2,0 % verfehlt sie bereits seit dem Frühjahr 2013. Im November betrug die Inflationsrate lediglich rund 1,0 %.
Lagardes nächste Gelegenheit für ein Statement ist bereits am 12. Dezember, wenn sich der EZB-Rat erstmals unter ihrer Leitung zur dann letzten Sitzung in diesem Jahr trifft.
Eins wird momentan auf jeden Fall deutlich: Das Schweigen der EZB-Präsidentin lässt viel Spielraum für Spekulationen. Diese fokussieren sich insbesondere auf das Tempo weiterer möglicher Zinssenkungen der EZB. In der nachstehenden Grafik wird dies relativ deutlich. Zu ihrem Amtsantritt stellten sich die Erwartungen im Markt hinsichtlich weiterer Zinssenkungen (vor allem der Einlagenzinsen) deutlich forscher dar. Diese wurden aber nach drei Wochen signifikant zurückgenommen. So wird im Konsens derzeit damit gerechnet, dass die EZB wohl erst ab nächsten Sommer nochmals einen Zinssenkungs-Zyklus einläutet.
In diesem Zusammenhang kommen auch wieder neue Diskussionen auf, mit welchen geldpolitischen Maßnahmen die EZB im Fall einer längeren Konjunkturflaute die Wirtschaft stimulieren könnte. Dabei wird immer wieder auch das Stichwort „Helikopter-Geld“ bemüht. Damit ist gemeint, dass die Zentralbank quasi Geld verschenkt, um damit Konsum und gleichzeitig Inflation anzukurbeln. Allerdings ist klar, dass dies nur eine absolute Krisenmaßnahme sein könnte, falls die Eurozone in eine schwere Rezession abgleitet. Danach sieht es bekanntlich derzeit allerdings nicht aus, ganz abgesehen davon, dass solch eine Maßnahme gerade bei den Skeptikern der EZB-Ratsmitglieder wie Deutschland kaum Zustimmung finden würde. Insofern bleibt es erst einmal weiter ein Gedankenexperiment. Aber es zeigt letztlich, dass der reale Maßnahmenkatalog der europäischen Geldpolitik bereits weitgehend ausgereizt ist. Für die ursprüngliche Funktionalität beziehungsweise das Mandat der EZB sind das jedenfalls keine guten Nachrichten.
Keinen leichten Stand hat auch Lagardes US-Kollege Jerome Powell. Erneut sah sich der Fed-Chef der direkten Kritik des US-Präsidenten Donald Trump ausgesetzt, der die Notenbank für den Handelskrieg zu instrumentalisieren versucht.
„Brasilien und Argentinien haben eine massive Abwertung ihrer Währungen vorgenommen, was für unsere Landwirte nicht gut ist. Daher werde ich mit sofortiger Wirkung die Zölle für allen Stahl und Aluminium wiederherstellen, die aus diesen Ländern in die USA verschifft werden“, schrieb Trump via Twitter und schob Richtung der US-Notenbank nach: „Die Federal Reserve sollte ebenfalls so handeln, dass die Länder, von denen es viele gibt, unseren starken Dollar nicht mehr durch eine weitere Abwertung ihrer Währungen ausnutzen. Dies macht es für unsere Hersteller und Landwirte sehr schwierig, ihre Waren fair zu exportieren. Niedrigere Zinsen & Lockern – Fed!“
Trotz der anhaltenden Handelskonflikte peilt die Fed jedoch nach der letzten Senkung im Oktober keine weiteren Zinsschritte an. Die Konjunktur-Aussichten seien grundsätzlich „günstig“, sagte Powell jüngst vor einem Ausschuss des Kongresses und betonte dort bezogen auf die Angriffe Donald Trumps, wie überaus wichtig es sei, dass die Öffentlichkeit verstehe, dass die Notenbank unabhängig handele. Auch nach einem Treffen Powells und Trumps im Weißen Haus mit Finanzminister Steven Mnuchin ließ die Notenbank verlauten, Powell habe klargemacht, dass die Fed ausschließlich auf Basis einer „sorgfältigen, objektiven und nicht-politischen Analyse“ entscheide.
Ausblick
Es bleibt abzuwarten, welchen Weg Christine Lagarde als neue Chefin der EZB tatsächlich einschlägt. Einen einfachen Auftrag hat derzeit wohl kein Notenbankchef auf dieser Welt.