04 | 2017 Fokus

Chinas langer Marsch

Bild: © Sean Pavone 2015 – Fotolia

Seine Art, Hände zu schütteln, sage etwas über die Beziehung zu seinem Gegenüber aus, hieß es über den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump nach seinen ersten internationalen Kontakten. Auf einem Reuters-Foto von Trumps Treffen mit Chinas Staatschef Xi ist die Kraft deutlich zu erkennen, die die Chefs der zwei wichtigsten Volkswirtschaften der Welt in den Händedruck legen. Interessant aber ist die Blickachse, die der Fotograf eingefangen hat: Xi lächelt auf einen von unten blickenden Trump herab.

Weltweit stärkstes Wirtschaftswachstum

China strotzt vor Selbstbewusstsein. Es liegt mit den USA und der EU hinsichtlich des BIPs unangefochten an der Weltspitze und weist seit Jahren das stärkste Wirtschaftswachstum auf. Für 2017 verkündet die Regierung erneut ein Wirtschaftsplus von 6,5 % als Planziel, das in der Vergangenheit auch immer eingehalten wurde. Zumindest auf dem Papier. Übrigens haben die Chinesen kein Problem damit, sich trotz des Wachstums und der Wirtschaftsstärke als Entwicklungsland bezeichnen zu lassen. Denn das bringt angenehme Erleichterungen hinsichtlich Klimaschutz und ähnlicher Hemmnisse für die Wirtschaft.

Protektionismus und High-Tech

6,5 % Wirtschaftswachstum – wie geht das? Nur mit massiver staatlicher Unterstützung. Xi verfolgt trotz seines (Lippen-) Bekenntnisses zum Freihandel in Davos einen klaren protektionistischen Kurs: „China first“. Um das zu erreichen, wurden staatliche Mega-Strategien ins Leben gerufen, etwa die „Neue Seidenstraße“ oder auch „One Belt, one Road“, ein umfassendes Infrastrukturnetzwerk in Asien, Europa und Afrika mit Zugängen zu neuen Märkten, Aufträgen und Energiequellen für die chinesische Wirtschaft.

Mit „Made in China 2025“ soll der Umbau der chinesischen Wirtschaft weg von traditionellen Industriesektoren gelingen, die mit Überkapazitäten und einem schwächelnden Export kämpfen. Das Ziel: High-Tech. Bis 2025 will China sich in klar definierten Branchen wie der Halbleiter-Technologie, Robotertechnik oder Elektromobilität an die Weltspitze katapultieren. Natürlich mit staatlicher Unterstützung.

„Made in China 2025“ zielt klar auf die Verdrängung westlicher Unternehmen aus China, ist man sich bei der europäischen Handelskammer in Peking sicher. Gigantische Investitionsfonds und günstige Kredite stehen bereit, um 70 % Selbstversorgung in den technologischen Kernkompetenzen bis 2025 zu erreichen. Hinzu kommt der Schutz staatlicher Unternehmen vor ausländischer Konkurrenz, etwa durch die teilweise verpflichtende Offenlegung von Software-Codes. Auch die chinesischen Investments in Europa 2016 in Höhe von 35 Mrd. US-Dollar (11 Mrd. US-Dollar in Deutschland) können (neben dem Ziel der Kapitalflucht aus China) als Know-how-Shopping gesehen werden.

Chancen für europäische Exporteure

Noch profitieren Europa und insbesondere Deutschland vom Geschäft mit China. 2016 war China erstmals wichtigster Handelspartner Deutschlands. Experten der deutschen Export-Agentur GTAI sehen gute Chancen für deutsche Anbieter in den von „Made in China 2025“ geförderten Wachstumsfeldern, insbesondere beim Thema vernetzte Fabriken. Deutsche Automatisierungstechnik ist derzeit Exportschlager. Auch für Anbieter von Informations- und Kommunikationstechnologien, Robotik oder CNC bestehen in China derzeit besonders gute Wachstumschancen.

Nicht ohne Risiko

Und in China selbst? Die Stimmung sei weniger angespannt als vergangenes Jahr, heißt es von Investmentfonds-Analysten. Anfang des Jahres warnte allerdings die japanische Bank Nomura vor einer Finanzkrise oder zumindest einem Nachfrageeinbruch in China. Denn Geld kommt bekanntlich nicht aus dem 3D-Drucker. Die Regierung muss ihre übermäßige Staatsverschuldung verringern, die Inflation bremsen, den Kurs der Währung im Blick behalten und Druck aus den Spekulationsblasen etwa an den Immobilienmärkten ablassen. Wirtschaftswachstum respektive die Vermeidung einer harten Landung ist für China kein Selbstzweck, sondern Garant der sozialen Stabilität.

Soziale Leistungen, das Versprechen von Sicherheit und das Fördern eines chinesischen Nationalstolzes sind zudem der Kitt, der im China von heute Staat und Gesellschaft zusammenhält, heißt es vom Chinaexperten MERICS. Im Herbst dieses Jahres wird Staatspräsident Xi seine letzte fünfjährige Amtszeit beginnen. Er habe kein Interesse an wirtschaftlicher Instabilität, ist man sich beim Washingtoner Institut CSIS sicher.

Fazit

Im Schatten der großen und kleineren Tagespolitik (Flugzeugträger gen Korea, US-Strafzölle gegen Salzgitter, etc.) und unserer eurozentrischen beziehungsweise westlich orientierten Wahrnehmung hat China zwei große Strategien – die „Neue Seidenstraße“ und „Made in China 2025“ – ausgerollt, um seine Position in der Welt zu festigen und auszubauen.

Politik und Wirtschaft sind in dem kommunistisch geprägten Land nicht voneinander zu trennen. Natürlich birgt das Chancen für Investments, auch wenn der chinesische Aktienmarkt nichts für schwache Nerven ist. Das Streben einer chinesischen Marktführerschaft zielt allerdings in sensible Bereiche, auf denen heute das Wachstum vieler Industrieländer beruht.

Zudem bergen die hohe Verschuldung, ein Wertverlust der Währung gegenüber dem Dollar und Vermögensblasen neben dem nicht völlig auszuschließenden Szenario eines Handelskrieges Risiken für die Kapitalmärkte.

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