09 | 2016 Fokus

Banken zwischen Bargeld und Blockchain

Bild: © BillionPhotos.com – Fotolia

Bereits 2015 propagierte der Wirtschaftsweise Peter Bofinger die Abschaffung des Bargelds. „Bei den heutigen technischen Möglichkeiten sind Münzen und Geldscheine tatsächlich ein Anachronismus“, äußerte sich Bofinger in einem SPIEGEL-Interview im vergangenen Jahr. Ohne Bargeld würden Schwarzarbeit, Drogenhandel, Geldwäsche oder Steuerhinterziehung kaum noch möglich sein, argumentiert Bofinger. Darüber hinaus wären Bargeldtransaktionen mit einem größeren Aufwand verbunden, denn das Zählen und Lagern von Bargeldbeständen koste Zeit und Raum.

In diesem Jahr nun wurde die Debatte um die mögliche Abschaffung des Bargelds angefeuert, als die EZB beschloss, den 500-Euro-Schein abzuschaffen und Obergrenzen für Bargeldtransaktionen diskutiert wurden. Sie begründete diesen Schritt mit der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus. Doch der tatsächliche Grund für die Notenbanker könnte ein anderer sein: Denn ohne Bargeld hätten es die Zentralbanken leichter, ihre expansive Geldpolitik durchzusetzen. So sprachen sich schon früher der ehemalige US-Finanzminister und Ökonom Larry Summers und der US-Ökonom und ehemalige Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds Kenneth Rogoff für die Abschaffung aus, da die Wirkung geldpolitischer Maßnahmen, wie die Senkung von Leitzinsen, verpufft, wenn Banken und Verbraucher Bargeld horten.

Zusätzliche Brisanz erhält das Thema, wenn Negativzinsen ins Spiel kommen. Die EZB verlangt bereits Strafzinsen von Banken, die Guthaben bei der Zentralbank hinterlegen. Damit will sie erreichen, dass die Banken das Kapital nicht parken, sondern über Kredite an Unternehmen in Umlauf bringen und die Konjunktur ankurbeln. Doch die seit der Finanzkrise eingeführte Regulierung mit hohen Anforderungen an das Risikomanagement der Banken hat dazu geführt, dass diese äußerst restriktiv in ihrer Kreditvergabe geworden sind. Statt also Kredite zu vergeben, beginnen diese nun ihrerseits, Negativzinsen auf Guthaben ihrer Kunden zu erheben. Diese sind ohnehin schon angesichts des geringen Zinsniveaus von Kapitalanlagen frustriert. Bisher war nicht jedem bewusst, dass sein Vermögen angesichts geringer Renditen unterhalb der Inflationsrate real schwindet. Doch mit Negativzinsen dürfte jedem klar sein, dass sich so nicht vorsorgen lässt.

Daher sorgt sich die EZB, dass es zu einer Geldflucht kommen könnte. Kunden könnten ihre Konten räumen und Bargeld horten, so wären sie zumindest vor den Negativzinsen sicher. Würde das Bargeld jedoch abgeschafft, müssten die Menschen Konten nutzen und könnten ihr Geld nicht dem Finanzsystem und Bankenkreislauf entziehen. Die expansive Geldpolitik der EZB könnte dann besser ihre Wirkung entfalten. Denn ein weiterer Effekt wäre, dass private Anleger anstelle von Bankguthaben ihr Kapital in Sachwerte investierten. Diese haben einen eigenen beständigen Nutzwert und ihr Wert steigt mit der Inflation. Vor allem Aktien könnten als leicht handelbare Sachwerte profitieren.

Doch eine bargeldlose Welt ist auch eine gläserne Welt. Jede Zahlung ist nachvollziehbar, jeder private Kauf dokumentiert. Was Geldwäsche, Steuerhinterziehung und andere Arten von Kriminalität zumindest erschwert, wird von vielen als massiver Eingriff in die Privatsphäre und Angriff auf die Bürgerrechte verstanden.

Banken und Sparkassen kann das egal sein, sie dürften sich über die künftig vermeintlich alternativlose Nutzung ihrer Konten und der damit einhergehenden Gebühren freuen. Allerdings droht hier bereits eine andere Gefahr, die den Zahlungsverkehr als bisherige Domäne der Banken und Sparkassen revolutionieren könnte. Bisher wurde der Bitcoin als Spinnerei von Nerds abgetan. Doch die dahinter stehende Idee hat ein ungeheures Potenzial.

Die sogenannte Blockchain-Technologie macht Transaktionen, die im bisher üblichen Bankenverkehr bis zu 24 Stunden benötigten, in Sekundenschnelle möglich – sicher und mit marginalem Aufwand.

Das wirklich Revolutionäre daran ist, dass die Transaktion für beide Seiten sicher ohne eine dritte Kontrollinstanz, also ohne Banken, abläuft. Die Blockchain-Technologie funktioniert wie eine digitale Bilanz von Transaktionen zwischen Computern, die dezentral und transparent auf vielen anderen Computern in redundanten und miteinander verbundenen Daten-„Blöcken“ gespeichert wird. Enthaltene Prüfsummen stellen sicher, dass die einzelnen Datenblöcke nicht manipuliert werden können. So ist die entsprechende Zahlungsinformation immer verfügbar, verifiziert und nahezu unmöglich zu manipulieren. Das Internet selbst wird quasi zum Kassenbuch – Banken und Sparkassen verlieren damit ein ganzes Geschäftsmodell.

Die Transaktionen sind zwar transparent, aber gleichzeitig weitestgehend anonym: Die Blockchain kennt keine Namen, sondern nur Prüfsummen und kryptografische Schlüssel. Neue Blöcke werden in einem rechenintensiven Prozess erschaffen, der „Mining“ genannt wird, und anschließend über das Netzwerk an die Teilnehmer verbreitet. Vorstellbar wäre, dass künftig Zentralbanken diese Technologie nutzen, um ihre Finanzsysteme zu unterhalten. Jens Weidmann, Präsident der Bundesbank und Vorsitzender des Verwaltungsrats der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIS) in Basel, ist gegen die Abschaffung von Bargeld, sieht in der Blockchain-Technologie aber auch Chancen für die Zentralbanken.

Großes Potenzial bietet die Blockchain-Technologie auch für die schnelle und effiziente Abwicklung von strukturierten Produkten wie Aktienanleihen. Mit Hilfe von sogenannten „Smart Contracts“, bei denen Bedingungen in die Datenblöcke der Blockchain programmiert werden, könnten unter anderem Zinszahlungen oder Rückzahlungen bei Laufzeitende automatisch ausgeführt werden.

Noch steckt die Blockchain-Technologie in der Entwicklungsphase, doch es ist absehbar, dass sie in den nächsten drei Jahren den Finanzdienstleistungssektor massiv verändern wird.

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