Rund ein halbes Jahr nach der Wahl hat Deutschland endlich eine Regierung. Die nächste Hängepartie dräut indes in Italien. Wie findet Europa zu Einheit und Stärke zurück, wenn die zentrifugalen Kräfte in allen Mitgliedsländern an Zuwachs gewinnen?
Während in Deutschland mit Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde, dass wir nach dem Votum der SPD-Mitglieder nun doch wieder eine Regierung haben werden, stand die Parlamentswahl in Italien nicht überall im Zentrum des Interesses. Das Ergebnis war dann so ernüchternd, dass es die Schlagzeilen nicht lange dominierte.
Als Gewinner stehen die widerstreitenden Kräfte der rechtsnationalen Lega und der Anti-Establishment-Bewegung Fünf Sterne fest, ohne jeweils eine ausreichende Mehrheit erzielt zu haben. Die Regierungsbildung wird damit nicht nur rechnerisch extrem schwierig: Fast 50 % der Wähler haben den etablierten Parteien eine Absage erteilt. Fast die Hälfte der erwachsenen Italiener scheint kolossal unzufrieden mit dem politischen Mainstream, der für Jugendarbeitslosigkeit und Zuwanderung verantwortlich gemacht wird.
Europa und Globalisierung – bislang Synonyme für Fortschritt und Zukunft – werden zugunsten von Protektionismus und Nationalismus in Frage gestellt. Damit reiht sich Italien in die Reihe europäischer Staaten ein, die nicht mehr in der europäischen Einheit, sondern in der Rückbesinnung auf sich selbst die Lösung für ihre aktuellen innenpolitischen Probleme sehen. Ein Trend, der so gut wie alle Länder Europas erreicht hat. In Ungarn, Österreich, Bulgarien, Polen und Griechenland stellen diese Parteien sogar die Regierung.
Dieser rückwärtsgewandte Trend gewinnt an Kraft zu einer Zeit, in der der europäische Kontinent von mehreren Seiten unter Druck gerät. Zum einen sind da die Migrationsströme, die angesichts des Klimawandels nicht einfach wieder versickern werden. Dann ist da China, Wirtschaftsmacht Nr. 1 oder 2, je nach Berechnung, und fest entschlossenen, seinen historisch angestammten Platz als Sohn des Himmels wieder einzunehmen – also Weltmacht zu werden. Und dann sind da noch die USA, deren bisherige Rolle als Partner und Beschützer Europas zur Disposition steht. Auch Russland steht unter anderem angesichts des Verdachts der versuchten Wahlmanipulation sowie von gezielten Hacker- und Giftmord-Angriffen derzeit nicht im Ruf, es besonders gut mit dem Westen zu meinen.
Europa geht es so gut, weil es den europäischen Wirtschaftsraum gibt. Welche Rolle sollen in dieser Situation die Nationalstaaten spielen, zu denen die europafeindlichen Populisten zurückwollen? Was können Polen oder Österreich allein einer Wirtschaftsmacht wie China entgegensetzen?
Laut dem chinesischen Kalender leben wir seit Februar im Jahr des Hundes. Wer den Voraussagen Glauben schenken mag, kann mit unruhigen Zeiten rechnen. „Widerstand gegen Ungerechtigkeit“ ist ein Thema, „Rückzug ins Private und Vertraute“ ein anderes und „Verpasste Chancen und das Risiko, Aggressoren das Feld zu überlassen“ ein weiteres. Klingt nach den Stichworten für unser Fokus-Thema in diesem Monat: Dem Versuch Donald Trumps, eine protektionistische Wirtschaftsordnung zu entwickeln.
In diesem Sinne: Bewahren Sie einen kühlen Kopf und lassen Sie sich nicht von Parolen vereinnahmen.