03 | 2019 Editorial

Andere Anleger kauften auch …

Foto: © thicha - Fotolia

„Googeln“ ist zu einem geflügelten Wort geworden. 3,4 Mal am Tag googelt der durchschnittliche Nutzer mal eben schnell nach etwas. Das ergibt rund 3,5 Mrd. Suchanfragen, die Google pro Tag erhält und verarbeitet. Dabei verbindet Google die einzelnen Anfragen mit den übrigen, vom selben PC gestarteten Suchen – ob zum Wetter einer Region, Reisezielen, Filmrezensionen oder Suchanfragen nach Turnschuhen. Längst ist ein Nutzerprofil entstanden. Es ist privater, komplexer und langlebiger als beispielsweise das Wissen, das Nachbarn oder Kollegen über den Google-Nutzer haben. Algorithmen entscheiden auf Grundlage des Profils, welche Werbung und welche Treffer bei weiteren Suchanfragen ausgegeben werden. Und in Zukunft noch weit mehr.

Die technische Entwicklung, Daten günstig lagern und schnell wieder abrufen zu können, hat uns gigantische Mengen an Datensätzen beschert, die miteinander vernetzt werden: Big Data, die Grundlage zur Entwicklung von lernfähiger und lernender Software. Einer Künstlichen Intelligenz (KI), die in der Lage ist, Muster zu erkennen und auf das Individuum herunterzubrechen. Das Thema Künstliche Intelligenz beleuchten wir auch in unserem Fokus-Thema in diesem Monat.

Künstlicher Intelligenz ist es möglich, Vorhersagen zu treffen, etwa zur Entwicklung von Kapitalanlagen oder zum Nutzerverhalten. Von Facebook wurde bekannt, dass es imstande ist, Werbung an unglückliche Teenager zu verkaufen, auf dass sie sich mit Konsum trösten. Und falls Sie weder Teenager sind noch Facebook oder WhatsApp nutzen, so verwenden Sie doch sicherlich Google, Amazon oder ähnliches.

Viele Menschen beschäftigen sich nicht mit der Frage, was mit ihren Daten geschieht. Ist doch bequem, wenn man immer die passenden Angebote bekommt, oder? Dass die gesammelten Daten möglicherweise gegen sie genutzt werden können, beispielsweise bei der Berechnung von Versicherungstarifen oder der Verweigerung von Krediten durch die SCHUFA, wird oft ausgeblendet.

Andere sind sich bewusst, dass sie tagtäglich Daten von sich preisgeben oder damit Dienstleistungen erkaufen, die vermeintlich umsonst sind. Ein Ausspruch unter Digital-Marketing-Experten lautet etwa: „Wenn Du für das Produkt nichts zahlst, bist Du das Produkt.“

„Andere Kunden kauften auch …“ – KI-basierte Empfehlungen wie diese machen bereits 35 % des Amazon-Umsatzes aus. Einige Kunden sind sich vielleicht sogar ihrer Manipulierbarkeit bewusst und fühlen sich unwohl bei diesem Gedanken. Die nicht durchschaubaren Prozesse befremden sie.

Verunsicherung und sogar Zukunftsängste können die Folge sein. Umso wichtiger ist es, jenseits der Machbarkeit das Vertrauen der Konsumenten, Anleger oder Nutzer als wichtigstes Ziel im Blick zu behalten. So ist es sicher nicht der geeignete Moment, um im Wettbewerb um die KI-Entwicklung mit den USA und China europäische Regulierungen und Datenschutzbestimmungen über Bord zu werfen.

Facebook hat gerade mit 6,5 Mio. Euro ein neues Forschungszentrum für Ethik in der Künstlichen Intelligenz an der TU München mit aufgebaut. Vertrauensbildende Maßnahmen sind überfällig.

In diesem Sinne: Künstliche Intelligenz ist eines der Zukunftsthemen. Vergessen wir darüber aber unseren gesunden Menschenverstand nicht.

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