Die DZ Bank hat berechnet, dass deutschen Sparern durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Jahren 2010 bis 2019 rund 648 Mrd. Euro Zinsen auf Sparvermögen entgangen seien, 290 Mrd. Euro hätten allerdings Kreditnehmer auf der anderen Seite eingespart. Bliebe ein Saldo von -358 Mrd. Euro.
Solche Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen: Als Benchmark wurden die durchschnittlichen Einlagenzinsen der Jahre 1999 bis 2009 zum Ansatz gebracht. Eigentlich müssten aber die Realzinsen, also abzüglich der früher deutlich höheren Inflationsrate, als Vergleichsmarke herangezogen werden.
Auch die deutschen Sparkassen fordern ein Ende der Niedrigzinspolitik: „Wir wollen, dass die europäische Zinspolitik künftig wieder eigenverantwortliche Vermögensvorsorge und Sparen belohnt“, heißt es im Eingangsstatement von Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) auf der Pressekonferenz zum Beginn des Deutschen Sparkassentages 2019.
Die EZB erhebt Strafzinsen von 0,4 % für Gelder, die Banken bei ihr parken. In Summe seien dies zuletzt mehr als rund sieben Mrd. Euro jährlich gewesen, so der DSGV-Präsident. Der Leitzins im Euroraum liegt seit längerem auf dem Rekordtief von 0 %. Schleweis erwartet keine Zinserhöhungen vor dem nächsten Jahr.
Das deckt sich mit den Einschätzungen der meisten Marktexperten. Konjunkturelle Risiken und niedrige Inflationsraten machen ebenso wenig wie die Rhetorik der EZB Hoffnung auf eine baldige Zinswende. Die EZB betont sogar ihre Bereitschaft, die Geldpolitik bei Bedarf erneut zu lockern. Allein die Diskussion eines gestaffelten Einlagensatzes im EZB-Rat bestärkt die Erwartung, dass die EZB selbst eine langfristige Phase unveränderter Leitzinsen für wahrscheinlich hält.
Auf der anderen Seite des Atlantiks schien man dagegen diese Phase bereits überwunden zu haben – mitnichten. Zwar blieb auch dort die Leitzinsspanne unverändert, doch die Fed reduzierte den Satz für Überschussreserven (Interest Rate On Excess Reserves, IOER) von 2,4 auf 2,35 %. Powell betonte, dass es sich nur um eine „kleine technische Anpassung“ handle und der geldpolitische Kurs unverändert bliebe. Doch nicht wenige Analysten halten eine generelle Zinssenkung für möglich und diese Maßnahme für einen Vorboten. Die Märkte zeigten bisher keine Reaktion.
Währenddessen erhöht der US-amerikanische Präsident Donald Trump den Druck auf die Notenbank, die er als handelspolitische Waffe versteht. Mit ihrer Hilfe sei ein Wirtschaftswachstum in den USA von 5 % möglich, behauptete Trump auf einer Veranstaltung und nannte dabei niedrigere Leitzinsen und ein „bisschen quantitative Lockerung“ als notwendige Instrumente. Später twitterte er, wenn die Fed auf eine wahrscheinliche Zinssenkung der chinesischen Notenbank entsprechend antworten würde, wäre im Handelsstreit „game over“ und die USA der Sieger.
Ausblick
Es mag sein, dass die Notenbanken ihre Unabhängigkeit unterstreichen; den Wirkungsnachweis ihrer Geldpolitik bleiben sie aber bis auf weiteres schuldig und so hält die Patt-Situation weiter an.