09 | 2019 News

zeb.Privatkundenstudie 2019: Margendruck vs. kundenorientierte Neuausrichtung

Münster/Frankfurt (ots) – zeb, Berater der europäischen Finanzindustrie für Strategie- und Managementfragen, hat im Sommer 2019 zum 19. Mal den wirtschaftlichen Zustand und die Entwicklungen im deutschen Privatkundenbankgeschäft analysiert und daraus Implikationen für die Branche abgeleitet. Danach stagnieren die Erträge im Retailbanking mit deutschen Privatkunden aktuell bei rund 50 Mrd. Euro. Dies entspricht einem leichten Rückgang von 0,1 Prozent im Vorjahresvergleich und liegt rund 9 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2010 bzw. nahezu ein Viertel unter dem Niveau der Jahrtausendwende.

Die Erträge aus dem Einlagengeschäft haben sich aufgrund des durch die Niedrigzinsphase induzierten Margendrucks gegenüber 2010 mittlerweile mehr als halbiert. Mittelfristig ist bei fortgesetztem Niedrigzins zudem der Verlust der aktuell noch ca. 7 Mrd. Euro verbleibenden Erträge in dieser Kategorie zu erwarten. Gegenläufig und damit positiv entwickelten sich die Erträge im Kreditgeschäft. Hier erwirtschaften die Banken mit Privatkunden heute rund 20 Mrd. Euro und damit etwa 16 Prozent mehr als zu Beginn des Jahrzehnts. Die Entwicklung dieses Geschäftszweigs ist nach vorne gesehen konjunktursensitiv, wobei der Wachstumsverlauf bisher ungebrochen ist.

Bedrohung im Daily Banking durch digitale Angebote

Im Kreditgeschäft enthalten ist das private Konsumkreditgeschäft (inkl. Dispo), das gegenüber 2010 um 14 Prozent gestiegen ist und heute mehr als 25 Prozent der Privatkundengeschäftserträge ausmacht. Dennoch adressieren viele klassische Retailbanken dieses Geschäftsfeld nicht in dem Maße wie andere Geschäftszweige. Sie halten – noch – den strategisch wichtigen Kundenzugang im Daily Banking, der durch digitale Kundenlösungen und PSD2 von neuen Wettbewerberkategorien zunehmend ins Visier genommen wird. Da derzeit mehr als die Hälfte des Privatkreditgeschäfts über klassische Vertriebskanäle jenseits von POS oder Onlinemarktplätzen abgesetzt wird, ist der Zugang zum Kunden aus dem täglichen Banking eine gute Plattform zum Ausbau des Konsumkreditgeschäfts, sowohl beim originären Neugeschäft als auch in der Umschuldung.

Außerdem profitieren etablierte Wettbewerber von der positiven Entwicklung bei den Girokontenerträgen. Hier verdienen Banken zurzeit ca. 7 Mrd. Euro und damit rund 2 Mrd. Euro mehr als im Jahr 2010. Diese vermeintlich komfortable Situation im Daily Banking darf nicht über die Bedrohung hinwegtäuschen, die insbesondere von der Schnelligkeit der Entwicklung digitaler Angebote ausgeht. „Der Zugang zum Kunden ist von strategischer Bedeutung gerade für etablierte Player – ihn zu verlieren, wäre im Retailbanking existenzbedrohend. Der Wettbewerb um den Kundenzugang kommt in den nächsten Jahren in die entscheidende Phase“, stellt Ulrich Hoyer, zeb-Partner und Leiter der Retailbanking-Praxisgruppe, fest.

Baufinanzierung als Treiber

Zentraler Bestandteil in der Vermögensplanung privater Haushalte ist die eigene Immobilie und damit die Baufinanzierung, deren Erträge in den vergangenen fünf Jahren um über 25 Prozent angewachsen sind. In einem Markt, der generell durch steigende Immobilienpreise gekennzeichnet ist, gelang es den Banken, ihre Neugeschäftsmargen wieder auszuweiten und damit gegenläufige Entwicklungen, wie z. B. steigende Anteile an Eigenkapital, zu kompensieren. Absehbare Veränderungen in der Kanalnutzung, steigende Kundenanforderungen und deutliche Effizienzsteigerungen führen künftig aber auch in diesem Geschäftszweig zu erhöhtem Konkurrenzdruck und lassen nicht unerhebliche Verschiebungen bei der Potenzialerschließung der ca. 7 Mrd. Euro erwarten.

Ertragspotenzial mit Privatkunden in Deutschland sinkt ohne Gegenmaßnahmen

Die dargestellte Stagnation der Ertragsbasis resultierte 2018 in einem Branchenergebnispool von noch ca. 2 Mrd. Euro. Bis 2023 erwarten die zeb-Experten auf Basis aktueller makroökonomischer Zukunftsszenarien und des Geschäftsmixes im Privatkundengeschäft ein Absinken des Ertragspotenzials mit Privatkunden in Deutschland auf dann 46,8 Mrd. Euro – ein Rückgang, der besonders durch den Verlust der Einlagenerträge getrieben ist. Bei einer tendenziell leichten Normalisierung der Risikokosten und ohne weitere Verbesserungen der Kostenbasis resultieren in dem daraus folgenden Fünfjahresszenario substanzielle Verluste: Ohne wirksame Gegenmaßnahmen dürfte das Ergebnis im deutschen Privatkundengeschäft in den nächsten fünf Jahren auf dann ca. -5 Mrd. Euro sinken.

Kundenorientierte Neuausrichtung gefordert

In diesem Marktumfeld müssen Banken neben den notwendigen Kostenprogrammen ihre geschäftlichen Anstrengungen in wachsende Geschäftsfelder intensivieren und sich auf einen weiter verschärften Wettbewerb einstellen. „Wachstum in einzelnen Geschäftsfeldern und insbesondere Erfolg im Verdrängungswettbewerb erfordern eine systematische, kundenorientierte Neuausrichtung im Bankvertrieb“, so Dr. Marc Buermeyer, zeb-Partner und Leiter der Retailbanking-Praxisgruppe. Banken sollten im Vertrieb einen systematischen Prozess etablieren, der den Zusammenhang von Kundenerfahrung, Kundendaten, Kundenverständnis und personalisierten Angeboten fortlaufend optimiert.

Erfolgreiche technologiebasierte Anbieter machen es vor: Eine gute Kundenerfahrung bindet Kunden an eine Plattform und führt zu einem stetig wachsenden Bestand an kundenbezogenen Daten, aus dem sich Erkenntnisse zu Bedürfnissen und Präferenzen der Kunden ableiten lassen. Auf dieser Basis passend und individuell gestaltete Angebote verbessern wiederum die Kundenerfahrung. Dieser Ansatz geht deutlich über einen eng gedachten, auf Kampagnen oder Vertriebsimpulse fokussierten Einsatz von Data Analytics hinaus. Einen derartigen sich selbst verstärkenden Wirkungskreis systematisch in den etablierten Bankstrukturen zu verankern, ist eine der größten aktuellen Transformationsherausforderungen für Banken im digitalen Zeitalter.

Kundenorientierung lohnt sich

Eine Analyse über den Zeitraum von 2013 bis 2018 verdeutlicht, dass sich Kundenorientierung tatsächlich lohnen kann. Die 50 größten europäischen Banken unterscheiden sich teilweise deutlich darin, wie sie Kundenorientierung im Management und in der Kommunikation gewichten. Gliedert man die Banken beispielsweise nach der Prominenz des Themas in der Geschäftsberichtskommunikation der letzten Jahre und vergleicht die hier führenden Banken mit ihren Mitbewerbern, zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen finanziellen Kennzahlen und Kundenorientierung. Banken mit hoher Kundenorientierung notieren im Mittel mit einem Kurs-/Buchwert-Multiple von 1,2 gegenüber 0,8 bzw. 0,6 bei Banken mit mäßiger oder geringer Kundenorientierung. Diese Bewertungsunterschiede spiegeln deutlich höhere Rentabilitäten (RoE von 9,4 % vs. 5,1 % bzw. -0,9 %) und auch höhere Effizienzen (CIR von 57 % vs. 68 % bzw. 65 %) wider.

Original-Content von: zeb, übermittelt durch news aktuell

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