07 | 2016 Editorial

Schweigespirale

Bild: © VALERY SIDELNYKOV – Fotolia

Prof. Dr. Dr. h.c. Elisabeth Noelle-Neumann (1916-2010), Gründerin des Instituts für Demoskopie Allensbach und des Instituts für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, prägte den Begriff und das Modell der Schweigespirale.

Danach kann die Meinung einer tatsächlichen Minderheit, wenn sie von dieser nur oft und laut genug vorgetragen wird, von der Öffentlichkeit als vermeintliche Mehrheitsmeinung akzeptiert werden, weil sich kein Einzelner mehr traut, gegen diese zu opponieren.

Genau das scheint in Großbritannien passiert zu sein. Oder viele insbesondere junge Briten haben das Referendum einfach nicht ernst genug genommen. Zur Wahl gingen insbesondere diejenigen, die für den Austritt waren. Diejenigen, die den Verbleib befürworteten, eher nicht. Dafür spricht die teils deutliche Diskrepanz zu zuvor erhobenen Umfragen der Meinungsforschungsinstitute. Gelebte Demokratie funktioniert eben nur dann, wenn man sich auch beteiligt.

Nun müssen die vielen vorwiegend jungen Brexit-Gegner die Suppe auslöffeln, die ihnen die vorwiegend älteren Befürworter eingebrockt haben. Ironischerweise werden diese die langfristigen Folgen des EU-Austritts kaum noch erleben. Die Folgen des Votums behandelt unser Fokus-Thema des Monats 07|2016.

Zum Schweigen werden auch Oppositionelle in der Türkei gebracht. In einem erschreckenden Ausmaß nutzt Präsident Erdogan den gescheiterten Putschversuch ungenannter Militärs, um mit Gegnern und unliebsamen Personen im Land aufzuräumen.

Die Aussicht auf einen EU-Beitritt scheint nicht weiter verlockend zu sein, Menschen- und Bürgerrechte werden durch den ausgerufenen Ausnahmezustand einfach aufgehoben. Die Türkei ist dabei, sich mit großen Schritten von einem modernen, demokratischen Staat westlicher Prägung zu entfernen. Anscheinend weiß der Macht-Politiker Erdogan nur zu gut um die strategische Bedeutung der Türkei aufgrund ihrer geografischen Lage als Brücke zum nahen Osten.

Für die Finanzmärkte bedeutet die aktuelle Entwicklung in der Türkei einen weiteren geopolitischen Krisenherd. Es zeichnet sich nicht ab, dass die Unsicherheit der politischen und wirtschaftlichen Situation absehbar abnehmen wird. Für Vermögensverwalter gilt es also Mittel und Wege zu finden, damit umzugehen.

Stabilität ist dabei die oberste Maxime. Nicht beeindrucken lassen sollte man sich von allzu laut vorgetragenen Meinungen. Besser man bildet sich seine eigene.

In diesem Sinne: Bleiben Sie kritisch!

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