09 | 2018 Markt

Negative Realzinsen

Trotz der viel zitierten Niedrigzinsphase und den damit verbundenen Problemen für Sparer, konnten die deutschen Bürger ihr Vermögen über lange Zeit stetig mehren. Das lag insbesondere an steigenden Aktienkursen, aber auch an der niedrigen Inflation. Doch die Bundesbank hat nun in ihrem Augustbericht erstmals das bestätigt, was viele seit längerem befürchteten: Der reale Wert der Spar- und Anlagevermögen der Deutschen ist 2018 nun das erste Mal seit sechs Jahren tatsächlich gesunken. Die Gesamtrendite eines durchschnittlichen Haushaltes belief sich dem Bericht zufolge im ersten Quartal 2018 auf -0,8 %.

In die Renditeberechnung flossen die Veränderungen von Bargeldbeständen, Ansprüchen gegenüber Versicherungen sowie Anlagen in Aktien und Fonds ein. Dass die Zinsen von Sparbüchern, Tages- oder Festgeldkonten und Staatsanleihen dank der Nullzinspolitik der EZB auf niedrigstem Niveau und real sogar im Minus liegen, ist bekannt. Bisher wurde das durch die Aktienanlagen kompensiert – seit Jahresbeginn gilt dies jedoch nicht mehr. Hinzu kommt die anziehende Inflation, die sich im Juli 2018 auf 2,1 % und August auf 2,0 % belief.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), er könne den Unmut der Sparer verstehen, verwies aber auf die Langfristigkeit der Altersvorsorge und dass diese die aktuelle Zinssituation relativiere. Das Handelsblatt zitiert ihn mit der Aussage, dass wir alle nicht nur Sparer, sondern auch Arbeitnehmer, Häuslebauer, Steuerzahler und Unternehmer seien und die niedrigen Zinsen daher nicht nur negativ wirken würden.

EZB-Präsident Mario Draghi betont, dass im Fokus der von der EZB betriebenen Geldpolitik die Preisstabilität stünde. Es sei nicht die Aufgabe der EZB, den Geschäftsbanken die Geschäfte zu erleichtern oder den Euro-Mitgliedsstaaten die Schuldenaufnahme. Und er stellte klar: „Unser Ziel ist nicht, die Staatsfinanzierung zu erleichtern“.

So beließ die EZB mit Entscheidung auf ihrer jüngsten Ratssitzung im September den Leitzins wie auch den Strafzins für Einlagen bei 0 beziehungsweise -0,4 %. Allerdings beschloss sie nun auch das endgültige Ende der Anleihenkäufe: Von Oktober bis zum Jahresende werden nur noch für 15 Mrd. Euro pro Monat Anleihen gekauft, danach endet das Kaufprogramm. Einzige Bedingung: Die Inflationserwartung bleibt im angestrebten Korridor.

Wesentlich dramatischer stellt sich die Inflation in der Türkei oder einigen südamerikanischen Ländern dar. Dort reagieren die Notenbanken mit teils horrenden Leitzinsen: So sucht die türkische Notenbank die rasante Entwertung der Lira mit einer Erhöhung der Leitzinsen auf 60,0 % aufzuhalten. Dieser Wert wurde bisher nur in Argentinien erreicht – mit mäßigem Erfolg. Nach der Erhöhung im August klettert die Inflation weiter und könnte bis zum Jahresende 40 % erreichen. Das Land schafft es nicht, sich aus der tiefgreifenden Wirtschaftskrise zu befreien. Die Bevölkerung geht zusehends auf die Barrikaden, der Staat steht kurz vor dem Kollaps und bittet den Internationalen Währungsfonds um Hilfe.

Ausblick

Im Euroraum bleibt alles auf Kurs, bis auf weiteres bleiben die Zinsen auf Null. Doch der Absturz der türkischen Lira hat auch Auswirkungen auf den Euro und die Auslandsnachfrage im Euroraum. In unserer globalisierten Welt hat auch die Geldpolitik anderer Notenbanken als der EZB Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und unser Vermögen.

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