10 | 2018 Markt

Zum Ärger des Präsidenten

Im aktuellen Herbstgutachten der Institute für die Bundesregierung beziffern die Ökonomen in den führenden deutschen Forschungsinstituten ihre Zinserwartungen für den zum Ende des kommenden Jahres prognostizierten Ausstieg der EZB aus der expansiven Geldpolitik. So heißt es in dem vom Münchner ifo Institut, dem Berliner DIW, dem Essener RWI, dem Kieler IfW und dem IWH Halle vorgelegten Gutachten: „Mit Verbesserung der wirtschaftlichen Lage dürfte die EZB langsam aus der unkonventionellen Geldpolitik aussteigen und ab dem Jahr 2019 die Leitzinsen schrittweise erhöhen“.

Die Institute erwarten eine Erhöhung des Einlagensatzes im Herbst 2019 um 0,15 Punkte auf -0,25 %. Damit reduzierte sich die Strafe für Geldhäuser, die überschüssige Mittel über Nacht bei der Notenbank hinterlegen. Der Leitzins dürfte Ende 2019 nach Ansicht der Ökonomen in einem ersten Schritt um 0,25 Punkte angehoben und im Jahr 2020 noch einmal in zwei Schritten auf 0,75 % erhöht werden. Das Tempo bleibt also absehbar moderat.

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist man bei den Leitzinsen schneller unterwegs – sehr zum Ärger des US-Präsidenten. Dieser kritisierte die Geldpolitik der Notenbank Fed massiv, nachdem die US-Aktienmärkte schwere Rückschläge einstecken mussten. „Ich denke, die Fed macht einen Fehler“, so Trump. „Ich denke, die Fed ist verrückt geworden.“

US-Finanzminister Steven Mnuchin widersprach umgehend: Die US-Notenbank Fed sei nicht verantwortlich für den Kurssturz des Leitindex Dow Jones um rund 830 Punkte. Vielmehr spielten andere Faktoren wie Sorgen um Handelskonflikte oder Unsicherheiten durch den ungeklärten Ausstieg der Briten aus der EU eine wichtigere Rolle.

Notenbankchef Jerome Powell hatte bereits im September klargestellt, dass die Fed unabhängig von „politische[n] Faktoren oder ähnliche[m]“ die Leitzinsen festlege. Wie wichtig diese klare Haltung und damit die Glaubwürdigkeit der Fed ist, zeigt ein Blick in die Türkei: Die massive Kritik des Präsidenten Erdoğan an der Geldpolitik der türkischen Notenbank hatte deren Unabhängigkeit in Frage gestellt und damit als Brandbeschleuniger in der Währungskrise gewirkt.

Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, distanzierte sich von diesen und anderen Äußerungen des US-Präsidenten und betonte, dass Zentralbanken ihre Leitzins-Entscheidungen allein entsprechend ökonomischer Indikatoren treffen müssten. Bei guter Konjunktur und niedriger Arbeitslosigkeit müssten die Notenbanken „die Entscheidungen treffen, die sie treffen.“

Ausblick

Der zinspolitische Kurs wird auf beiden Seiten des Atlantiks immer klarer und sich weiter annähern. Während die US-Notenbanker zum Ärger ihres Präsidenten einen ersten Spurt in Sachen Leitzinsen vorgelegt haben, nehmen die europäischen Kollegen erst langsam Fahrt auf.

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