06 | 2019 Editorial

Krieg mit anderen Mitteln

Akarat Phasura – stock.adobe.com

Die Europawahl war vielfach als Schicksalswahl deklariert worden, die über die Zukunft des Kontinents entscheiden würde. Der befürchtete Erdrutschsieg der Populisten blieb aus, leichter wird es für Europa dennoch nicht, sich neben den USA und China zu behaupten: Neben einem Land, dessen Präsident nichts bis gar nichts von Europa hält. Und neben einer aufstrebenden Macht, die keine gemeinsame Geschichte oder Verträge zur Rücksicht anhalten.

Wir sehen ein Europa, das zuletzt in den Brexit-Verhandlungen Härte und Einigkeit zeigte, jetzt aber im Nachgang der Wahl seine nationalen Wunden leckt. Mehr dazu auch in unserem Fokus-Beitrag in diesem Monat.

Dabei hätte Europa allen Grund, seine Kräfte nicht nur nach innen gegen Großbritannien, sondern auch nach außen hin zu bündeln. Denn Europa wird in den verschiedenen Krisenherden weltweit derzeit an den Rand geschoben: Die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China haben bereits das Weltwirtschaftswachstum gebremst. Hier geht es schließlich um nicht weniger als die Vorherrschaft in der Welt. Und Europa, wer war noch mal Europa?

Dass der Welthandel in verschiedenen Konflikten schon seit längerem als „Stellvertreterkrieg“ fungiert, hat Trump jüngst wieder bewiesen: Er drohte Mexiko Zölle an, wenn das Land die Immigration in die USA nicht bremse. Zölle, die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln?

Druck und Gegendruck, das ist auch die Strategie für die Zukunft des Atomabkommens mit dem Iran – auf beiden Seiten. Nachdem Donald Trump vor einem Jahr den vermeintlich „schlechtesten Deal aller Zeiten“ aufgekündigt und massive Sanktionen hochgefahren hatte, stellte der Iran sein Ultimatum: Man werde wieder Uran anreichern, sollte keine Lösung gefunden werden. Es endet am 07. Juli.

Europäische Unternehmen, die weiter mit dem Iran Handel treiben wollen, müssen den Zorn Washingtons fürchten. Doch auf Geschäfte mit den USA wird keiner verzichten wollen oder können. Im Jahr 2017 erreichte der deutsch-iranische Außenhandel noch ein Volumen von rund 3,4 Mrd. Euro, davon allein Importe aus Deutschland im Wert von drei Mrd. Euro. Der Erneuerungsbedarf der iranischen Industrie ist groß, Maschinen aus Deutschland sehr willkommen. Die größte Herausforderung sei aber, den Zahlungsverkehr mit Deutschland aufrechtzuerhalten, heißt es von der deutschen Außenhandelskammer im Iran. Unterdessen nutzen die Chinesen das wirtschaftliche Vakuum, welches die Wirtschaftssanktionen gerissen haben. Sie nehmen weit weniger Rücksicht auf die Befindlichkeiten der USA.

Die Zeit drängt, um den Konflikt zu entschärfen. Eine Situation, die eigentlich wie gemacht wäre für eine führende Rolle Europas als globaler Vermittler.

In diesem Sinne: In den aktuellen Konflikten sollten Sie Ihr Pulver trocken halten.

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