01 | 2019 Markt

Geduldsspiel

Den Tweets des US-Präsidenten zum Trotz hat die Fed im Dezember zum vierten und letzten Mal im Jahr 2018 die Zinsen erhöht. Donald Trump hatte zuvor deutlich gemacht, dass er dies für einen Fehler hielt. Doch die Fed blieb unbeeindruckt und hob die Bandbreite des US-Leitzinses um 0,25 Punkte auf 2,25 bis 2,50 %. Gleichzeitig kündigte sie an, den Zinssatz in 2019 nur noch zweimal anheben zu wollen – im September war noch von drei Erhöhungen die Rede. Der Zinssatz dürfte dementsprechend erst Ende 2019 auf das „neutrale“ Niveau von 2,75 bis 3 % steigen. In diesem sensiblen Bereich, in dem die Wirtschaft weder angekurbelt noch ausgebremst wird, sei nun vorsichtiges Vorgehen ratsam, so Fed-Präsident Jerome Powell – nicht zuletzt mit Hinblick auf die etwas eingetrübten Konjunkturaussichten in den USA: Die Wachstumsprognose für 2018 korrigierte die Fed um 0,1 Punkte auf 3,0 %. 2019 rechnet die Fed nun mit einem Wachstum um 2,3 % gegenüber der bisherigen Erwartung von 2,5 %. Auch die Inflation wird etwas schwächer als bisher erwartet.

Powell kündigte an, bei künftigen Zinsentscheidungen noch stärker auf die konjunkturellen Aussichten zu blicken. Insofern sind auch die für 2019 avisierten Zinserhöhungen nicht in Stein gemeißelt. Nicht wenige Finanzexperten, unter anderem auch aus den Reihen der Notenbank selbst, äußerten sich zuletzt skeptisch hinsichtlich der geplanten Zinserhöhungen und betonten, man müsse „geduldig“ sein.

Geduldig muss man auch diesseits des Atlantiks sein. Investoren am Geldmarkt erwarten aufgrund der abkühlenden Konjunktur die erste Zinserhöhung der EZB seit 2011 zu einem immer späteren Zeitpunkt – manche sogar erst für 2020.

Zuletzt ging man noch aufgrund der Forward Guidance der EZB von einer ersten Erhöhung im Herbst 2019 aus. Doch die Anfang Januar veröffentlichten schwachen Konjunkturdaten überraschten, so dass manche sogar eine Rezession befürchten. Die Stimmung in der Wirtschaft der Eurozone war zum Jahreswechsel ohnehin schon unterkühlt.

Das ebenfalls im Januar veröffentlichte Protokoll der Dezembersitzung des EZB-Rates unterstreicht die Anfälligkeit der Lage, wenn Risiken eintreten oder neue Unsicherheiten hinzukommen. Zwar seien Chancen und Risiken für das Wachstum im Euroraum weitgehend ausgewogen; es gäbe allerdings eine Tendenz, dass die Risiken künftig überwiegen könnten. Unsicherheitsfaktoren seien unter anderem der EU-Austritt Großbritanniens und die jüngsten Turbulenzen in Schwellenländern wie der Türkei.

Nach einer von der Nachrichtenagentur Reuters vorab zitierten Forsa-Umfrage im Auftrag der Beratungsgesellschaft EY sprachen sich dagegen 62 % der Unternehmen für eine Zinswende in den kommenden Jahren aus. Nur etwas mehr als ein Viertel der Unternehmen wünscht sich die Fortsetzung der bisherigen Geldpoltik. Die Mehrheit der Unternehmen befürchtet zudem eine neue Euro-Finanzkrise durch die finanziellen Probleme Italiens: 68 % der befragten Unternehmen sehen die hohe Verschuldung Italiens als problematisch an.

Ausblick

Die Situation auf beiden Seiten des Atlantiks erfordert vor allem Geduld und Nervenstärke. Die anhaltende Hängepartie muss ausgehalten werden. Eine schnelle Lösung gibt es nicht.

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