02 | 2020 Fokus

ESG als Investmentkriterium

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Umweltschutz, Klimawandel und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit sind nicht erst seit Greta Thunberg ein Thema, auch wenn die junge Schwedin die Diskussion in den vergangenen Monaten ins Rampenlicht gerückt hat. Schon seit Jahren interessieren sich immer mehr Anleger für nachhaltige Investments. So wurden bereits vor über 20 Jahren (im September 1999) die Dow Jones Sustainability-Indizes (DJSI) aufgelegt, die heute zu den bekanntesten Vergleichsgrößen für nachhaltige Kapitalanlagen gehören. Für die Indizes werden Unternehmen ausgewählt, die gemäß eines speziell definierten „Total Sustainability Scores“ die besten Werte innerhalb eines Sektors aufweisen, also zu den Klassenbesten gehören. Einmal jährlich erfolgt eine Anpassung der Indexzusammensetzung, in deren Zuge im September 2019 beispielsweise Alphabet aufgenommen und Royal Dutch Shell aus dem Index entfernt wurde.

Auch die Bundesregierung will in 2020 erstmals einen „Green Bond“ mit einem Emissionsvolumen im hohen einstelligen oder im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich auflegen. Bislang gilt Deutschland als Nachzügler bei den nachhaltigen Anleihen, andere europäische Länder wie Frankreich und Dänemark bieten solche Papiere schon seit längerer Zeit an. Auch Unternehmen wollen sich ein Stück vom „Nachhaltigkeits-Kuchen“ sichern – allein in 2020 soll das Marktvolumen der „Green Bonds“ bei 250 Mrd. Dollar liegen.

Nachhaltigkeit auch bei Geldanlagen im Fokus

Das Thema nachhaltige Kapitalanlagen ist aus der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken und wird weiter an Bedeutung gewinnen. Gemäß einer Umfrage des ebase-Instituts geben 55 % der Deutschen an, dass Nachhaltigkeitskriterien für ihre Geldanlage zumindest mitentscheidend sind. Besonders hohe Relevanz hat das Thema gemäß der Studie bei jüngeren sowie vermögenderen Anlegern. Doch welche Kriterien muss eine nachhaltige Kapitalanlage – wie etwa ein Aktien- oder Rentenfond – erfüllen? Dafür gibt es keine einheitliche Definition, die Kriterien legen – noch – die Anbieter fest. Als einfachste Einstiegsmöglichkeit für Privatanleger in den unübersichtlichen Bereich der nachhaltigen Kapitalanlagen gelten derzeit sogenannte ESG-Fonds, da deren Kriterien ihren Käufern zumindest eine Grundorientierung bieten. Die Abkürzung ESG steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Aufsichtsstrukturen). Bei der nachhaltigen oder ethischen Geldanlage investieren Anleger also gezielt in Unternehmen, die bestimmte Kriterien in diesen drei Bereichen einhalten, einige davon sind in der Grafik unten aufgeführt. Gleichwohl gibt es im Hinblick auf die Auswahl von Unternehmen für Aktienfonds eine Reihe von Kriterien, die weit verbreitet sind.

Auswahlkriterien für ESG-Kapitalanlagen

Environmental

  • Investitionen in erneuerbare Energien
  • effizienter Umgang mit Energie und Rohstoffen
  • umweltverträgliche Produktion
  • geringe Emissionen in Luft und Wasser
  • umfassende Klimawandel-Strategien

Social

  •  Einhaltung zentraler Arbeitsrechte, zum Beispiel Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit sowie Nichtdiskriminierungs-Gebot
  •  hohe Standards bei Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
  •  faire Bedingungen am Arbeitsplatz, angemessene Entlohnung sowie Aus- und Weiterbildungschancen
  •  Versammlungs- und Gewerkschaftsfreiheit
  •  Durchsetzung von Nachhaltigkeitsstandards bei Zulieferern

Governance

  •  transparente Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption und Bestechung
  •  Verankerung des Nachhaltigkeitsmanagements auf Vorstands- und Aufsichtsratsebene
  •  Verknüpfung der Vorstandsvergütung mit dem Erreichen von Nachhaltigkeitszielen
  •  der Umgang mit Whistle Blowing

Aktien weltweit hinsichtlich dieser weit gefächerten Kriterien zu screenen – das haben sich vor allem die großen Indexprovider zum Ziel gesetzt und dementsprechend neue ESG-Aktienindices an den Markt gebracht. Der bedeutendste Anbieter ist MSCI. Hier arbeitet man mit Ausschlusskriterien, um aus den bekannten Indices MSCI Welt bzw. MSCI Emerging Markets den MSCI World ESG und den MSCI Emerging Markets ESG zu generieren. Und das geht folgendermaßen:

Das Thema Umwelt wird berücksichtigt, indem Unternehmen mit einem Umsatzanteil von mehr als 5 % in der Kohleförderung aussortiert werden. Gleiches gilt als Umsatzgrenze für die Ölextraktion aus Ölsande.

Soziale Aspekte werden adressiert, indem Unternehmen mit mehr als 5 % Umsatzanteil aus der Produktion, dem Vertrieb von Tabak-basierten Erzeugnissen ausgeschlossen werden. Die Produzenten von Waffen aller Art sind generell ausgeschlossen. Daneben gibt MSCI ein Normenpaket vor, das Investoren helfen soll, öffentlich gehandelte Unternehmen hinsichtlich der Einhaltung von allgemein üblichen Standards überprüfen zu können. Sollte dies nicht der Fall sein, scheidet ein solches Unternehmen aus.

Wer nun denkt, dass die Überleitung von herkömmlichen zu ESG-Indices mit einer wesentlichen Reduzierung in der Zahl der Indexmitglieder einhergeht, hat sich getäuscht. Während per 31.12.2019 im MSCI Welt-Index insgesamt 1.646 Namen gelistet waren, ergab die ESG-Variante immerhin 1.544 Vertreter. Beim MSCI Emerging Markets waren es zum selben Zeitpunkt 3.057 Titel, die in der ESG-Variante sich auf 2.937 Titel reduzierten. Nachstehend finden Sie für einen ersten Eindruck die TopTen-Holdings der beiden Indices, sowie die Sektoren- und Ländergewichtung.

Top 10 ESG MSCI-Welt
ESG-Sektorengewichtung MSCI-Welt

MSCI Developed Markets (Welt) ESG

Wie nicht anders zu erwarten, haben wiederum die „Global Titans“ eine starke Gewichtung. Während es bei den Sektoren keine Ausreißer gibt – die größten Anteile haben IT, Financials und Health Care – geht nach Ländern der Löwenanteil mit über 64 % in die Vereinigten Staaten. Lassen Sie sich nicht irritieren von den Sektorbezeichnungen. Der im vergangenen Jahr neu eingeführte Sektor „Communication Services“ beinhaltet vornehmlich Werte, die sich zuvor im IT-Sektor fanden.

MSCI Emerging Markets (Welt) ESG

Bei den Schwellenländern unterscheidet sich die Gewichtung der Sektoren nur leicht von denen der Industrieländer. Hier ist der Anteil von Titeln aus dem Gesundheitswesen zugunsten derjenigen aus dem Sektor „Communication Services“ verschoben. Nach Ländern stellen die Asiaten, allen voran China, den Hauptanteil.

Top 10 ESG MSCI-Schwellenländer
ESG Sektorengwichtung MSCI-Schwellenländer

Es ist längst keine Utopie mehr, dass nachhaltige Investments zur Norm werden. Sie sind schon jetzt weit mehr als nur eine Nische für Idealisten und Weltverbesserer.

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