Warm anziehen
Enttäuschung und Schadenfreude – zwischen diesen Gefühlen oszillieren insbesondere die deutschen Kommentare zum Wahlausgang. Enttäuschung darüber, dass es den Demokraten nicht gelungen war, die Mehrheit der Senatorensitze zu erringen. Und Schadenfreude darüber, dass US-Präsident Donald Trump das Leben künftig von den das Abgeordnetenhaus dominierenden Demokraten schwergemacht werden dürfte.
Die Folgen der Midterm Elections werden über die USA hinaus zu spüren sein. Kurzfristig reagierten die Börsen positiv. Der Wahlausgang war allerdings bereits antizipiert und entsprechend eingepreist, so dass DAX und die US-Börsen in den folgenden Tagen nach der Wahl wieder nachgaben. Politische Börsen haben bekanntlich kurze Beine.
Interessanter ist daher vor allem die Frage, welche Auswirkungen die gespaltene Regierung auf die US-Wirtschafts- und Finanzpolitik und damit auf die Konjunktur in den USA haben könnten, auf den Politikstil Donald Trumps und damit schlussendlich auf Europa beziehungsweise Deutschland.
Die nach der Wahl befragten Wirtschaftsexperten kommen zu zwei grundsätzlichen Annahmen:
Es wird weitestgehend davon ausgegangen, dass die Demokraten die politischen Initiativen Trumps dort blockieren werden, wo ihnen die Haushaltshoheit die Macht dazu gibt. Trump kann nicht mehr durchregieren, so der Tenor. Im besten Fall folgt daraus eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners.
Gravierende Aufgaben wie Entscheidungen über das Gesundheitswesen, die staatliche Krankenversicherung Medicare oder das ausufernde Staatsdefizit werden voraussichtlich nicht dazugehören. Das große Infrastrukturprogramm als eines von Trumps Wahlversprechen wird sich so nicht umsetzen lassen, da das demokratisch dominierte Abgeordnetenhaus Trump diesen Erfolg wohl nicht gönnen wird. Auch weitere fiskalische Anreize, die ebenfalls zu Trumps Wahlversprechen gehören, werden nicht weiterverfolgt werden können.
Zudem sind sich die ökonomischen Kommentatoren einig darin, dass das Wahlergebnis Trump unter Druck setzt. Die Demokraten werden versuchen, ihn politisch anzugreifen, wo es ihnen möglich ist. Wenn aber Trump innenpolitisch mit mehr und mehr Gegenwind zu rechnen habe, könne er sich noch stärker auf die Außenpolitik beziehungsweise Außenwirtschaftspolitik verlegen, um sein Profil zu schärfen. Der Think Tank German Marshall Fund (GMF) spricht konkret von „außenpolitischem Aktionismus“. Denn nach den Midterms beginnt quasi der Wahlkampf für die nächste Präsidentschaftswahl.
Befeuert von seinem ausgeprägten Selbstbewusstsein (die Kongresswahlen seien eine „riesiger Erfolg“ gewesen) und einem auch objektiv nicht allzu schlechten Abschneiden (in der Regel bekommen die amtierenden Präsidenten bei den Midterms einen Denkzettel verpasst), gibt es jedenfalls aus Trumps Sicht keinen Anlass für grundlegende Änderungen an seiner Politik. Eine Gemengelage, die ihn motivieren könnte, nach außen noch energischer aufzutreten als bislang. Von den Demokraten sei jedenfalls keine mäßigende Wirkung auf Trumps protektionistische Politik zu erwarten, so urteilen die Ökonomen. Dazu hätten zu viele linke Demokraten derzeit Auftrieb, die selbst stark protektionistische Ansichten vertreten.
Aus diesen Annahmen ließe sich ableiten, dass die Auseinandersetzungen um den Welthandel sich fortzusetzen beziehungsweise neue Konflikte zu eskalieren drohen. Die Stimmung bleibt angespannt, die verschiedenen Handelskonflikte sind nur auf Eis gelegt. Zuletzt drohten die USA der EU unverhohlen, man habe noch viele bislang ungenutzte Möglichkeiten, den Nordstream-2-Deal mit Russland zu stoppen. Auch der Disput um die Verteidigungsausgaben für die NATO eignet sich erneut als zusätzliches Profilierungsfeld. Themen, die das Exportland Deutschland, das die 2 %-Vorgabe der NATO bislang nicht erfüllt, ins Schussfeld bringen könnten. Deshalb müsse die EU alles tun, um einen Handelskrieg zu vermeiden, der für das Autoland Deutschland desaströse Folgen hätte, ist von einem deutschen Chefökonomen zu lesen. Diese fast kleinmütige Ansage spricht von der Sorge, die die Marktteilnehmer jetzt angesichts eines unter Druck stehenden, vielleicht noch unberechenbareren US-Präsidenten umtreibt.
Nur selten wird davon ausgegangen, dass Trump seine Energie künftig eher auf die Innenpolitik lenken könnte, um seine Wahlversprechen doch noch zu erfüllen. Das würde für uns Europäer leicht entspannende Effekte haben, heißt es etwa von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. An anderer Stelle ist sogar zu lesen, der Sieg der Demokraten werde einen mäßigenden Einfluss auf Trump haben. Ein Pfeifen im Wald?
Unmittelbar werden jedenfalls keine konkreten Auswirkungen auf die Wirtschaft der USA und die Börsen erwartet. Grundsätzlich wird wahrgenommen, dass der US-Zyklus auf seinen Höhepunkt zusteuert. Die nunmehr wohl ausbleibenden fiskalischen Stimuli könnten eine nachlassende Konjunkturdynamik im kommenden Jahr mit sich bringen, weitere Steuersenkungen allerdings wohl auch die Risiken einer Überhitzung der Wirtschaft erhöhen. Offen bleibt, wie intensiv sich gegebenenfalls neu aufbrechende Handelskonflikte auf die Konjunktur in den USA auswirken würden.
Immerhin sind mit dem gespaltenen und sich selbst blockierenden Kongress keine Gesetzgebungsverfahren zu befürchten, die die Märkte beunruhigen würden. Im Gegenteil: Gerade der Gesundheitssektor könnte aufatmen, wenn an den Medicare-Gesetzen und den Preisen für Medikamente nicht weiter herumgedoktert wird. Statistiken jedenfalls besagen, dass die US-Börsenindizes in so gut wie jedem Jahr seit 1946 nach den Zwischenwahlen kurz- und mittelfristig im Plus lagen, unabhängig davon, wie das Wahlergebnis ausfiel. Zumindest als sich möglicherweise selbst erfüllende Prophezeiung sollte dieser Aspekt noch in unsere Betrachtungen einfließen.