01 | 2018 Fokus

Ein Blick in die Zukunft

Foto: © Eisenhans - Fotolia

In keiner Lifestyle-Zeitung dürfen sie zum Jahreswechsel fehlen: Horoskope. Sie sollen unsere Ängste vor der unbekannten Zukunft bannen. Auch Anleger wüssten zu gern, was in den kommenden Monaten an den Finanzmärkten passiert. Ein Blick in die Sterne hilft da vielleicht auch – aber anders als Astrologen setzen die Analysten von Banken, Asset Managern und Investmenthäusern auf ganz irdische Mittel, um einen Blick voraus zu wagen: Technische Analysen, Wirtschafts-  und Unternehmensdaten sowie Umfragen sind die nüchternen Grundlagen, aus denen die wahrscheinlichsten Szenarien abgeleitet werden. Wie geht es 2018 an den Kapitalmärkten weiter?

Die Grundparameter sind klar. 2017 war ein sehr erfolgreiches Jahr – für die Weltwirtschaft und für die Kapitalmärkte. Insbesondere an den Börsen sehen wir seit der Kurserholung nach dem Crash der Jahre 2008/ 2009 eine Hausse: 2017 lagen die Zuwächse zwischen 10 und über 25 %.

Gepuscht wurden die Kurse von dem synchronen globalen Wirtschaftswachstum und einer sehr zurückhaltenden Inflation. Und der parallele Aufschwung hält laut „World Economic Outlook“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) weiter an – ja hat sogar noch an Beschleunigung zugelegt. Nach 3,6 % im Jahr 2017 auf 3,7 % für 2018 – nachdem die Weltwirtschaft 2016 „nur“ um 3,2 % gewachsen war.

2018 wird wie 2017 – nur anders

Das positive Umfeld – und mit ihm seine stimulierende Wirkung auf die Finanzmärkte – soll also auch 2018 noch anhalten: Die US-Wirtschaft wächst weiter moderat und nach langen, schwierigen Jahren in der Eurozone könnte es nun weiter bergauf gehen, so die Einschätzung des Asset Managers Capital Group oder der Deutsche Asset Management.

In China scheinen staatliche Konjunkturprogramme das Wachstum zu stabilisieren – was für die Weltwirtschaft von entscheidender Bedeutung sei. Überhaupt, so die Analysten bei Capital Group, hätten viele Emerging Markets wie Russland und Brasilien wieder Wachstum verzeichnen können.

Auch bei anderen Analysten, wie beispielsweise Franklin Templeton, wird darauf hingewiesen, dass das synchrone Wachstum vor allem den Emerging Markets zu verdanken sein: Vor dem Hintergrund des kräftigen Wachstums in China und Indien und einer Trendwende in Brasilien erzielten Schwellenländer 2017 eine überdurchschnittliche Entwicklung, beobachtete Coleen Barbeau, Portfolio Managerin bei der Franklin Equity Group.

Inflation ante portas

Also alles bestens? Nein, der Preis für die derzeit gute Konjunktur sei die steigende Inflation, sagt mit aller Deutlichkeit Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba. Von „unerwünscht niedrigen“ Inflationsraten könne keine Rede mehr sein. Die Notenbanken werden mit weniger expansiven Methoden reagieren. Wie die Anleger auf steigende Zinsen, Kursverluste im Anleihesektor und das Versiegen des billigen Geldes reagieren werden – darin liegt das große Fragezeichen für dieses Jahr.

Auch für Fidelity ist klar: „Die Zinspolitik der Zentralbanken wird zum Zünglein an der Waage in einem nunmehr fragilen Gleichgewicht“, so Sonja Laud, Leiterin Aktien bei Fidelity International. Eine potenzielle Liquiditätsverknappung könnte Marktreaktionen hervorrufen, die zum heutigen Zeitpunkt schwierig vorherzusehen seien. 2018 habe das Potenzial für ein schwieriges Aktienjahr.

Anders klingt es bei der Deutsche Asset Management, die weiterhin ein ausgezeichnetes Börsenumfeld sieht: „Überwiegend sonnig“, so das Urteil. Inflation und Zinsen sollten bei dem global synchronisierten Aufschwung nur graduell steigen. Auch die Kapitalmarktexperten von BlackRock sehen bei der Inflationsentwicklung keinen Grund zur Sorge: Die Notenbanken bestätigten dies in ihrer gemächlichen Gangart.

Bewertungen sind hoch – zu hoch?

Einen weiteren kritischen Punkt spricht Traud von der Helaba, die auch hinsichtlich des globalen Wachstums etwas zurückhaltender ist, an: Anleger seien ausgesprochen sorglos geworden – wegen der hohen Bewertung sei große Vorsicht angebracht.

Auch bei Templeton führt man aus, dass einige Bewertungen, gerade bei US-Technologiewerten, alles andere als günstig seien. Diese Entwicklung sei durch die hohen Volumina von ETFs noch verstärkt worden. Schwergewichte wie Facebook, Amazon oder Google seien überproportional in vielen Indizes vertreten.

Stimme in der Wüste

Apropos Amazon: „Wenn die Moderatoren im Frühstücksfernsehen (eigentlich: „the TVs at lunchtime eateries“) über Amazon, Tencent (chinesischer Social-Media-Anbieter) und Bitcoin jammern, sind wir wahrscheinlich nur wenige Monate von einem Crash entfernt. Viel Glück. Wir werden es alle brauchen.” Wer sich wie ein Untergangsprophet anhört, ist Jeremy Grantham vom Investment Manager GMO, der dafür bekannt ist, das Platzen der jüngsten Blasen 2000 und 2008 vorhergesagt zu haben. Derzeit ist es die Blase der Kryptowährungen (siehe unser Fokus-Thema 12/2017 ), die ihn dazu veranlasst, einen melt-up in den nächsten sechs bis 24 Monaten für wahrscheinlich (mehr als 50 %) zu halten. Grantham kennzeichnet die Herleitung seiner Vorhersage klar als sehr persönliche Ansicht – und liefert Investmenttipps gleich mit: Emerging-Markets-Aktien.

Wie auch Grantham hat auch die Commerzbank einen technischen Blick auf die Märkte, speziell auf den S&P 500: Der werde sein Kurstempo schwerlich beibehalten können, so Commerzbank-Analyst Achim Matzke in Erwartung höherer US-amerikanischer Leitzinsen. Ähnliches gelte wegen des festeren Euro für den DAX und den EURO STOXX 50.

Krisenherde und große Aufgaben

Sehr unterschiedlich ist die Rolle, die die Analysten dem politischen Weltgeschehen beimessen. Bei BlackRock und der Deutsche Asset Management lautet die Devise: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. An politischen Krisen habe es 2017 beileibe nicht gefehlt, nachhaltig beeindruckt habe es die Märkte nicht, heißt es bei BlackRock; die Deutsche Asset Management spricht von einem Gewöhnungseffekt hinsichtlich geopolitischer Risiken.

Coleen Brageau hingegen benennt konkrete Risiken, vor allem für die US-Märkte: Eine protektionistischere US-Handelspolitik, ein möglicher Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran sowie zusätzliche Spannungen in Nahost.

Bei Fidelity kommen weniger Sorgen vor konkreten politischen Krisen zu Ausdruck, sondern, „dass die veränderte Demographie in Form einer überalternden Gesellschaft, eine hohe weltweite Verschuldungs- sowie eine geringe Produktionsrate das Wachstum in den Industrieländern drosseln wird.“ Auch bei der Helaba wird auf „wachstumsschädliche“ Einflüsse wie den Populismus, Protektionismus und Separatismus verwiesen.

Aktien sind alternativlos, aber…

Es liegt in der Natur der Sache, dass sich in einem Punkt alle einig sind: Es gebe keine Alternative zu Aktien. Allenthalber klingt sehr wohl die Warnung vor Rücksetzern in der zweiten Jahreshälfte durch, sei es wegen der ungewöhnlich optimistischen Stimmung, für die gute Nachrichten nicht mehr gut genug sind, sei es als Reaktion auf eine anziehende Inflation oder weil der Konjunkturzyklus seinen Höhepunkt erreicht hat. Auch jene, die sich betont relaxt geben, halten sich ein Hintertürchen offen, dass doch alles anders kommen könnte. Es fehlt nicht an Mahnungen zur Vorsicht, zur klugen Einzeltitelauswahl und zu bewussten Absicherungsstrategien angesichts von Anzeichen für eine mögliche Überhitzung.

Fazit

Prognosen sind eine schwierige Sache. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses wunderbare Bonmot von Mark Twain sagt alles. Viele kluge Menschen liefern profunde Analysen des abgelaufenen Jahres, die Zukunft können sie nicht kennen. Wer nicht ohnehin sein Horoskop zurate zieht, wenn es um seine Investments geht, kann für 2018 vor allem eines festhalten: Etwas mehr Absicherung kann nicht schaden. Ob nun Emerging Markets, wie Crash-Prophet Grantham empfiehlt, Gold oder Fixed Income, ist Geschmackssache.

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