Die Bundesregierung erwarte bei der Planung der Staatsfinanzen bis zum Jahr 2022 eine notwendige Normalisierung des Kapitalmarktumfelds, berichtete der „Spiegel“ jüngst unter Berufung auf ein internes Papier des Ministeriums. Bundesfinanzminister Scholz müsse daher von höheren als den aktuellen Zinsen ausgehen. Einmal mehr scheint die Frage nicht zu lauten, ob die Zinsen steigen werden, sondern wann.
Nach Einschätzung mehrerer Ökonomen dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals im zweiten Quartal 2019 einen ihrer Schlüsselsätze anheben. Erwartet wird mehrheitlich, dass die Euro-Wächter dann ihren Einlagensatz von derzeit -0,40 % auf -0,25 % erhöhen werden. Das ergab eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Der Leitzins von derzeit nach wie vor 0,00 % dürfte danach erst im vierten Quartal 2019 angehoben werden. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 26. April in Frankfurt.
Anders, allerdings ebenfalls erwartungsgemäß, agiert die US-Notenbank Federal Reserve, die ihren Leitzins erneut anhob. Erstmals unter Federführung des neuen Fed-Chefs Jerome Powell erhöhte sie den Leitzinskorridor um 0,25 Punkte auf 1,50 bis 1,75 %. Powell, der als Wunschkandidat des US-Präsidenten galt, setzt damit den eher moderaten Kurs seiner Vorgängerin Janet Yellen fort. Unter ihr hatte die Fed die Zinsen im Jahr 2017 drei Mal vorsichtig angehoben. 2018 sollen noch zwei weitere Zinsschritte folgen.
Einige Marktbeobachter hatten mit einem offensiveren Vorgehen von Trumps Wunschkandidaten gerechnet, um eine durch Trumps Steuergeschenke möglicherweise überhitzende Konjunktur im Zaum zu halten. Trump wünscht sich vor allem eine Abkehr von der strengeren Regulierung des Finanz- und Bankensystems.
Nach der jüngsten Steuerreform und dank der guten Weltwirtschaftslage wächst die US-Wirtschaft deutlich. Manche Volkswirte sehen nach der langen Zeit niedrigster Inflation allerdings bereits einen beginnenden Inflationsdruck und erste Überhitzungstendenzen.
So könnte der Leitzins erstmals seit der Finanzkrise kein guter Indikator für die Finanzsituation in der US-Wirtschaft sein: Die Kreditzinsen stiegen 2018 etwa doppelt so schnell wie die Leitzinsen. Eine derartige Entwicklung gab es zuletzt in der Finanzkrise.
Anders als damals dürfte jedoch nicht mangelnde Zahlungsfähigkeit, sondern die Divergenz zwischen Angebot und Nachfrage am Kreditmarkt der Auslöser sein.
Jörg Zeumer, Chefvolkswirt bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), kommentierte die Fortsetzung des geldpolitischen Kurses durch die Fed: „Das ist angebracht, denn die Fed sollte die derzeit kräftige Konjunktur und die steigende Auslastung in der Wirtschaft und am Arbeitsmarkt ernst nehmen: Es sind Vorboten anziehender Inflationsraten.“
In Großbritannien zeigt sich derzeit jedoch eine gegenteilige Entwicklung: Das britische Statistikamt ONS maß im März eine Inflationsrate von 2,5 % und damit den tiefsten Stand seit einem Jahr. Anfang des Jahres lag die Inflationsrate noch bei 3,0 %. Anleger passten ihre Zinserwartungen umgehend an, so dass das britische Pfund gegenüber vielen Währungen ebenso deutlich nachgab wie die Renditen britischer Staatsanleihen. Zuvor waren Analysten und Anleger fest von einer Anhebung des britischen Leitzinses Mitte Mai ausgegangen. Nun herrscht offenbar wieder Unsicherheit darüber, wie die Bank of England letztlich entscheiden wird.
Ausblick
Die Notenbanken befinden sich keinesfalls bereits in sicheren Fahrwassern. Doch erfreulicherweise halten sie trotz Trumps Aktionismus maßvoll Kurs. Das lässt hoffen, dass kurzfristige Überraschungen vermieden werden.