02 | 2018 Fokus

Volatilität: Gekommen, um zu bleiben

Foto: © Kurhan - Fotolia

10 % Verlust an den Aktienmärkten in nur zwei Tagen? Der Kurseinbruch Anfang Februar hat den US-amerikanischen, deutschen und anderen internationalen Indizes eine ordentliche Talfahrt beschert. Der US-Index S&P 500 lag an seinem vorläufigen Tiefpunkt 10 % unter seinem Rekordstand von Ende Januar.

Aufwärtstrend unterbrochen

So harsch die Verluste gewesen sind – dass sie kamen, war nicht wirklich überraschend. Eine Korrektur an den Aktienmärkten galt als überfällig und war von den Marktbeobachtern erwartet worden: Die Aktienmärkte weltweit waren in den vergangenen Monaten zu konstant gestiegen, angetrieben von der guten Konjunktur. Der DAX (ausgenommen von einem Monat) und der S&P 500 haben die vergangenen 15 Monate allesamt mit einem Plus abgeschlossen. Auch die anziehende Inflation und die Ankündigung der Fed, die Zinsen weiter langsam anzuheben, wurde als Warnhinweis wahrgenommen, dass es nicht ewig so weitergehen würde.

Und der Auslöser?

Zu den möglichen Gründen, warum die Kurse innerhalb zweier Tage so stark einbrachen, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Zum einen wird die Sorge der Investoren vor einer sich beschleunigenden Inflation und steigenden Zinsen genannt, die sich in höheren Stundenlöhnen in den USA manifestiert hatten. Höhere Zinsen gelten allgemein als schlecht für die Aktienmärkte, da sie die Kredite für Unternehmen verteuern (sich also auf die Unternehmensgewinne auswirken könnten) und weil sie Anleihen attraktiver machen.

Wetten gegen die Volatilität

Andere sehen Wetten auf den Volatilitätsindex VIX als eine mögliche Ursache für den Kursrutsch. Der VIX, erstellt von der Chicagoer Börse, gilt als wichtigster Indikator für die Volatilität. Er bemisst die von den Anlegern erwartete Schwankungsbreite des S&P 500 – und kam in den vergangenen Monaten für eine ungewöhnlich lange Zeit nicht von der Stelle.

Dabei war eine höhere Volatilität wegen der steigenden Zinsen von Marktexperten wie Goldman Sachs oder M&G Investments für das Jahr 2018 erwartet worden – wohl kaum aber ein Ausschlag aus dem Stand um 116 %. Nie zuvor stieg der VIX in seiner Geschichte steiler. Übertroffen wird dieser Anstieg nur von dem seinerzeit relevanten Indikator, der den Schwarzen Montag 1987 mit einem Anstieg von 300 % andeutete.

Optionen, Stop-Loss und Gerüchte

Wegen der insgesamt schwierigen Renditesituation stieg das Interesse der Anleger an kreativen Anlagen, um etwa über Optionen, Zertifikate oder ETFs (exchange-traded funds) in die niedrige Volatilität beziehungsweise den VIX zu investieren („Short-Vola“). Solange die Volatilität niedrig ist, können Optionen zur Absicherung gegen eine steigende Volatilität Gewinne generieren. Das Volumen solcher Produkte hatte in den vergangenen Jahren stark zugenommen.

Was aber passiert, wenn die Volatilität plötzlich explodiert, etwa weil erste Anleger empfindlich auf die Sorgen vor Zinssteigerungen reagieren und zinssensitive Unternehmenswerte verkaufen? Dann verteuern sich diese Produkte schlagartig, was direkte Auswirkungen auf den Aktienmarkt und dies wiederum auf die Volatilitätsindizes hat: Marktbeobachter vermuten, dass die zunehmenden Ausschläge der Volatilität auch mit der gestiegenen Anzahl der Optionskontrakte zusammenhängen könnte – wenn schon nicht als Auslöser, dann zumindest als verstärkendes Element. Hinzu kommen dann die automatisierten Stop-Loss-Aufträge, die ihrerseits zur Talfahrt beitragen.

Und noch eine extravagante Erklärung macht die Runde: Es kursiert die Anschuldigung eines auf Whistleblower spezialisierten US-Anwalts, der VIX sei manipulierbar. Dies sei der wahre Grund für den starken Anstieg des Index, der jenen Investoren enorme Gewinne einbrachte, die gegen den Trend auf einen unerwarteten Vola-Zuwachs gewettet hatten. Zahlen von 50 – 200 Mio. US-Dollar geistern durch die Nachrichten.

Korrektur als Signal für den Abschwung?

So unglaublich diese Anschuldigung ist, sie wäre ebenso wie die Annahme einer heftigen, aber kurzen Korrektur ein Indiz dafür, dass wir nicht am Beginn einer länger anhaltenden Talfahrt der Kapitalmärkte stehen. Diese starten regelmäßig gerade nicht mit einer Korrektur, sondern in kleinen, unscheinbaren Schritten. Und vor allem wurden Bärenmärkte bislang von einem entsprechend schwächelnden konjunkturellen Umfeld begleitet, das derzeit nicht zu erkennen ist.

Denn die angekündigten, moderaten Zinserhöhungen in den USA (die in Europa und Japan ohnehin noch kein Thema sind) wurden gerade möglich durch die anhaltend robuste konjunkturelle Entwicklung. Die US-Wirtschaft wächst derzeit mit rund 3 %, die Eurozone mit 2,5 % und Japan mit 2 %. Auch die Stimmung in den Unternehmen ist so gut wie lange nicht: Insbesondere in den USA profitieren die Unternehmen von Trumps Steuerreform und dem angekündigten Infrastrukturpaket.

Was aber, wenn der VIX genau das ist, wofür er nach Meinung vieler Markteilnehmern steht: Das „Angstbarometer“? Es gibt auch warnende Stimmen, die einen stark steigenden VIX mit Konjunkturabschwüngen in Zusammenhang bringen.

Die Volatilität wird bleiben

Die Marktteilnehmer sind sich hingegen einig, dass die Volatilität zurück ist und auch, angesichts der Ankündigungen der Fed, die Zinsen weiter anzuheben, bleiben wird. Das ist jedoch nach der langen Phase, in der die Volatilität zu schlafen schien, auch ein Zeichen der Normalisierung.

Was bedeutet eine höhere Volatilität nun für die Kapitalanlage? Langfristig orientierte Aktienanleger müssen jetzt stärker Nerven beweisen als in den Zeiten, als die Märkte quasi nur eine Richtung kannten – nach oben. Aktienanleihen hingegen sind in Zeiten höherer Volatilität ein besonders interessanter Baustein der Portfoliostruktur: Denn je höher die erwartete Volatilität, desto höher ist auch der Coupon, der bei der Emission festgesetzt wird.

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